Neuorientierung der Ausgaben nötig.* 11 Aus Sicht der Opposition führte dagegen Kurt
Conrad aus, daß selbst in den Ausschußberatungen an dem Entwurf der Regierung
praktisch keine Änderungen vorgenommen werden konnten, da die finanzpolitische
„Zwangssituation“ des Landes de facto keine Spielräume mehr erlaubt habe.12 Als
unmittelbare Folge der Versäumnisse bei der Erhaltung des Bergbaus und bei der
Umstrukturierung des Landes schließe so die schlechte Finanzlage die für die weitere
Strukturpolitik notwendigen Maßnahmen praktisch aus.1' Sehr viel härter noch kriti¬
sierte Wilhelm Silvanus für die SPD die Finanzpolitik der Regierung, die nur mit
„Tricks“ den Flaushalt überhaupt habe ausgleichen können. So würden z.B. Zu¬
schüsse für den Kapitaldienst von Krediten eingestellt, die die Gemeinden aufzuneh¬
men hätten: „Hier wird mit einem Kredit der Schuldendienst des nächsten finanziert,
aus 250.000 werden 2,5 Mio. Wenn auf Bundesebene dieses Beispiel Schule macht,
dann ... wird die Rückzahlung leicht, denn dann ist die Währung kaputt.“14 15 Damit war
eine wichtige Grundlinie formuliert, die einen großen Teil der Redebeiträge der
Opposition kennzeichnete: Bereits jetzt, so der Gedanke, folge die Verschuldung
nicht mehr rationalen Kriterien, und selbst unter diesen Umständen müsse auf die
Erbringung eigentlich notwendiger Leistungen in großem Umfang verzichtet
werden."
Darüber hinaus entwickelte sich die Haushaltsdiskussion aber auch zu einer umfas¬
senden Reforrndebatte über viele Bereiche der saarländischen Politik, wobei ins¬
besondere schul- und bildungspolitischen Themen breiter Raum eingeräumt wurde.
Jedoch glichen die hier angeführten Argumente erstens noch sehr stark denjenigen
der vorangegangenen Debatten16 und waren zweitens eingebettet in die immer neu
aufgenommene Auseinandersetzung um die Frage, inwieweit der Landeshaushalt als
Kommission Für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland,
Stuttgart 1966, das am 10.2.66 übergeben und im März 1966 veröffentlicht wurde, vgl. Renzsch, Finanz¬
verfassung, S. 215. Offenbar erfolgte die Übernahme dieses Begriffs in die saarländischen Politik
zumindest als Schlagwort recht früh.
11 LTDS, 5. WP, Abt. I, 13. Sitzung v. 9.3.66, S. 236f.
12 Da zudem die Koalitionsabgeordneten sich als „Gefolgsleute der Regierung“ verstünden, sei der
Haushalt „Ausdruck des politischen Willens dieser Regierung, dieser Koalition“, ebd., S. 239.
13 Ebd., S. 240ff. Vgl. hierzu auch: Den Circulus vitiosus aufbrechen. Betrachtungen zum Verhältnis von
Steuerkraft und Wirtschaftskraft des Saarlandes, in: Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer
des Saarlandes 13 (1965), S. 56-57.
14 LTDS, 5. WP, Abt. I, 13. Sitzung v. 9.3.66, S. 248.
15 So in der Formulierung von Karl Wolfskeil (SPD): „Wir müssen Schulden machen, um mit den neuen
Schulden die alten Schulden bezahlen zu können.“, ebd., S. 259. Besonders Friedrich Regitz (SPD) wies
auf das Problem hin, daß die Ausgabenreduzierung zur Konjunkturdämpfung im Saarland völlig falsch
sei, da hier notwendige Leistungen zur Umstrukturierung nicht erbracht würden. Insofern bestünde
zwischen einem Verzicht auf eine expansive Ausgabenpolitik und der Notwendigkeit einer Haushalts¬
sanierung volkswirtschaftlich kein Widerspruch, ebd., S. 268.
16 Hauptsächlich die Volksschulbauprogramme wurden mit recht gemischten Gefühlen reflektiert, was
eine zunehmende Konzentration auf die Alternative einer Mittelpunktschule als „echte Bürgerschule“
bewirkte. Besonders deutlich: Richard Klein (SPD), ebd., S. 284f. Zu den ideologischen Implikationen der
Diskussion um die Mittelpunktschule vgl. Kuhlmann, Schulreform, S. 88ff.
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