Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

Eine enge Ausrichtung auf kritische bzw. reformbedürftige Bereiche der Landespoli¬ 
tik kennzeichnete auch die unmittelbare Reaktion der Opposition. Mit einem Antrag 
zur Verwaltungsvereinfachung wollten die Sozialdemokraten unbedingt die Einset¬ 
zung unabhängiger Gutachter durchsetzen, die die Landesregierung bei ihrem Ver¬ 
such unterstützen sollten, die von Koch selber angesprochene exorbitante Steigerung 
der Personalausgaben zu verringern.6 Späterbrachte Friedrich Regitz den Standpunkt 
der SPD aber auf die Grundlinie, daß die Regierung mit ihrer allzu defensiven Haus¬ 
haltspolitik eine den speziellen Erfordernissen des Saarlandes im Strukturwandel 
unangemessene Linie verfolge. Die Zuwachsrate von knapp 5% sei „päpstlicher als 
der Papst“, wo doch selbst der Bundeshaushalt noch mit 8% wachse. Die Landes¬ 
regierung wolle sich, so der Vorwurf, als „Musterschüler des Maßhaltekanzlers“ 
darstellen, was im Saarland besonders fatal sei, da hier die auf Bundesebene feststell¬ 
bare Überhitzung der Konjunktur nicht feststellbar sei. Vielmehr benötige das Land 
gerade jetzt Handlungsspielräume und dürfe nicht - so w ie die Politik Röders dies 
tue - die „Armut kultivieren“, indem sie sieh über ohnehin zu geringe Sonderzuwen¬ 
dungen aus Bonn freue.s 
Als Anfang 1966 Spekulationen aufkamen, daß die im Haushaltsplan vorgesehene 
Kreditaufnahme angesichts des angespannten Kapitalmarktes nicht würde realisierbar 
sein1' - womit damit der Haushalt faktisch undurchführbar geworden wäre -, traten er¬ 
ste Auswirkungen der beginnenden Wirtschaftskrise ein. In seiner gereizten Reaktion 
hierauf betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Jakob Feiler, daß bereits die hohe 
Belastung des Landes mit Personalausgaben, die nur knapp 50 Mio. DM von den 
Einnahmen aus eigenen Steuern übrig lasse, das Dilemma der saarländischen Landes¬ 
finanzen demonstriere. Trotz der von ihm propagierten Leitidee des „kooperativen 
Föderalismus“1" bei der Gestaltung der Einnahmenseite sei eine strukturverändernde 
ebd., S. 109. 
6 Die Personalausgaben betrugen nach dem ersten Entwurf für 1966 ca. 390 Mio. DM, was einer Steige¬ 
rung von 15% entsprach, ebd., S. 104. Dabei setzte sich der aus der Vergangenheit bereits bekannte Trend 
weiter fort, nach dem die zentrale Verwaltung an dieser Steigerung im Vergleich zu anderen Bereichen 
recht wenig partizipierte. Der - inhaltlich keineswegs neue - Antrag wurde jedoch nach einer kurzen und 
heftigen Konfrontation nicht einmal in bekannter Manier „getötet“, indem er nämlich als Material in die 
zuständigen Ausschüsse verwiesen wurde, sondern von der Koalition sogar abgelehnt, ebd., S. 114. 
Vgl. zu den konjunkturpolitischen Erwägungen der Bundesregierung Bundesministerium der Finanzen 
(Hg.), Finanzbericht 1966, Die volkswirtschaftlichen Grundlagen und die wichtigsten finanzwirtschaftli¬ 
chen Probleme des Haushaltsplans der Bundesrepublik Deutschland für das Rechnungsjahr 1966, Bonn 
1966, bes. S. 8, wo von den Ländern „stärkste Zurückhaltung“ bei den Ausgaben gefordert wurde, um die 
überhitzte Konjunktur einzudämmen. 
8 LTDS, 5. WP, Abt. 1, 9. Sitzung v. 16.1 1.65, S. 127 und S. 128. 
4 Schon in der ersten Lesung hatte Koch daraufhingewiesen, daß die Schuldenaufnahme durch das Land 
über ihre Auswirkungen auf den Kapitalmarkt die Investitionstätigkeit der Industrie gefährde, ebd., 
S. 133. Auf die Finanzierungsprobleme wies der Generalbericht durch den Berichterstatter Friedrich 
Regitz hin: LTDS, 5. WP, Abt. 1, 13. Sitzung v. 9.3.66, S. 2035. 
10 Wolfgang Renzsch sieht den Beginn der Debatte über dieses Konzept in der Diskussion um das von 
einer Kommission um den ehemaligen hessischen Finanzminister Heinrich Troeger erstellte Gutachten: 
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