Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

3 Handlungsspielräume und Reformansätze der Landespolitik 
3.1 Haushaltspolitik in der Krise 
3.1.1 Die Zuspitzung der Finanzkrise 
Ganz im Gegensatz zur strukturpolitischen Debatte wurde in der Finanzpolitik nach 
der Landtagswahl von 1965 kein Neuansatz gesucht. Insbesondere die erfahreneren 
Parlamentsabgeordneten legten die Finanzmisere des Saarlandes in aller Deutlichkeit 
dar1 und stellten den Zusammenhang zwischen der Haushaltssituation des Landes, der 
Finanzierung der Gemeinden und der Ansiedlungspolitik in aller Deutlichkeit her.2 
Nach den günstigeren Ergebnissen in 1964 rechnete auch der Finanzminister für das 
Jahr 1966 wieder mit einem Überhang der Ausgaben.’ Sorgen bereitete auch die 
erneut um ca. 100 Mio. DM auf nun mehr als 1 Mrd. DM angestiegene Verschuldung 
und die Tatsache, daß die Zuwachsrate im Landeshaushalt zwar nur 5% betrug, daß 
aber der außerordentliche Haushalt trotzdem fast vollständig durch die Aufnahme 
neuer Schulden zu finanzieren war. Einzig die - geplante - Erhöhung der Einnahmen 
aus Ertragssteuern führte Koch als positives Zeichen für die fortschreitende Stabili¬ 
sierung der Saarwirtschaft an. Hoffnung versprach auch die in Rede stehende Entla¬ 
stung des Haushaltes durch Sondermittel aus Bonn und vor allem durch die Über¬ 
nahme von 250 Mio. DM Altschulden durch die Bundesregierung.4 Angesichts dieser 
Zahlen mahnte der Minister in aller Deutlichkeit Reformen auf der Ausgabenseite an. 
Insbesondere der öffentliche Wohnungsbau, der den Landeshaushalt bereits seit der 
unmittelbaren Nachkriegszeit belastete, wurde hinterfragt.5 
1 Bes. Erwin Müller (S VP/CVP), in: LTDS, 5. WP, Abt. 1,4. Sitzung v. 23.7.65, S. 37, der seine Kollegen 
daher aufforderte, weiterhin „wie ein Mann“ hinter dem Finanzminister zu stehen, wenn er in Bonn 
verhandele. 
2 So Karl Heinz Schneider (SPD) in: ebd., S. 46. Schneider kritisierte besonders die bereits viermal 
erfolgte Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs, die zeige, daß die Regierungspolitik hier „kein 
Meisterstück“ gemacht habe. 
3 Nach den Zahlen des Ministers hatten sich für 1964 sogar leichte Überschüsse ergeben; diese Analyse 
erwies sich jedoch bei der Haushaltsrechnung als falsch. Vgl. zum folgenden die Haushaltsrede von 
Minister Koch in: LTDS, 5. WP, Abt. 1, 8. Sitzung v. 11.11.65, S. 1 OOff. 
4 Der Bund verzichtete im Zusammenhang mit der Debatte um die Erhöhung seines Anteils an Ein¬ 
kommen- und Körperschaftsteuer von 38% (1963) auf 39% (1966) auf die Rückzahlung von Altschulden 
des Saarlandes in Höhe von 250 Mio. DM, So war die Zustimmung der Länder möglich, um dem Saarland 
weitere 35 Mio. DM als Sonderlastabzug im horizontalen Finanzausgleich zukommen zu lassen; vgl. 
hierzu Renzsch, Finanz Verfassung, S. 170ff. und S 197. Bei den 250 Mio. DM Altschulden handelte es 
sich der Sache nach um diejenigen Betriebsmittel, die noch in der Phase der Teilautonomie zur Deckung 
der Haushalte aufgenommen worden waren und die im Zuge der Übergangszeit nur teilweise durch 
verlorene Zuschüsse des Bundes ausgeglichen worden waren; bei der Bereinigung der Finanzverhältnisse 
bei der Eingliederung des Saarlandes waren, wie bereits erwähnt, die Verpflichtungen gegenüber Frank¬ 
reich zwar vom Bund übernommen worden, gleichzeitig war jedoch derselbe Betrag als Kredit des Bundes 
für das Saarland ausgewiesen worden. 
5 Daß im Bundesvergleich von einer echten Wohnraumnot im Saarland gar nicht mehr gesprochen werden 
könne, sei „ein Umstand, der zu einer generellen Überprüfung der Wohnungsbauforderung Anlaß geben 
sollte“. Im Prinzip sei Wohnungsbau im Saarland längst bereits ein Instrument der Eigentumsbildung, 
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