Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970 (36)

wie instrumenteil arrondierten Förderprogrammen begegnet, welche durch ihre 
integration in bundesweit eingerichtete Wirtschaftsforderungsmaßnahmen die Regio¬ 
nen in einen Ökonomisch nicht sinnvollen Wettbewerb um das „knappe Gut“ des 
Ansiedlungspotentials an Unternehmen stellte.121 Es wurde aber bereits dargelegt, daß 
im Saarland schon zu Anfang der 60er Jahre die wirtschaftlichen Schwierigkeiten 
auch als regionaler Strukturwandel perzipiert worden sind; die Umsetzung der daraus 
in der zweiten Hälfte der 60er Jahre entwickelten regionalspezifischen Lösungen in 
die auf Bundesebene koordinierten Programme gelang aber anscheinend nur teil¬ 
weise. 
Unter methodischen Gesichtspunkten ist schließlich interessant, daß der saarländische 
Fall daraufhindeutet, daß die Verwendung eines räumlichen Codes zur Verarbeitung 
gesellschaftlicher Probleme die Reagibilität des politischen Systems stark erhöht hat. 
Ähnlich wie bereits in der ersten Hälfte der 60er Jahre führten negative Auswirkun¬ 
gen des Strukturwandels zu heftigen Debatten über die geeigneten Methoden seiner 
Bewältigung. Auf dem Höhepunkt der Krise traten strukturelle Defizite in einer 
Deutlichkeit zutage, die die Folgen des regionalen Strukturwandels geradezu unbe¬ 
herrschbar erscheinen ließen. Die Debatten darüber nahmen zwar zeitweise einen 
geradezu konfusen Verlauf; charakteristisch ist aber der Austragungsmodus dieser 
Debatten; Im Laufe der parlamentarischen Auseinandersetzung wurde die z.B. in den 
wissenschaftlichen Gutachten verw endete, streng wissenschaftlich-deskriptive und oft 
ökonometrische bzw. verwaltungsw'issenschaftliche Sicht auf die Probleme in eine 
Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über die regionale Geschichte übersetzt. 
Dazu konnte im saarländischen Fall auf eine besonders reiche Tradition an derartigen 
Deutungen zurückgegriffen werden; dadurch konnte nun weitreichende Überein¬ 
stimmung zwischen den regionalen Akteuren hinsichtlich der mit räumlichen Symbo¬ 
len kommunizierten Probleme hergestellt werden. 
I2! Scharpf, Reissert u. Schnabel, Poiitikverflechtung, S. 79ff. Scharpf glaubte dahinter eine „begrenzt 
leistungsfähige Modalität der aktiven staatlichen Problemverarbeitung“ erkennen zu können, wobei das 
Ausmaß der Politikverflechtung weniger durch die Problemstruktur als vielmehr durch sachfremde, in 
einer Auseinandersetzung um Anteile an politischen Erfolgen bzw. politischen Kosten grundgelegten 
Faktoren bestimmt war, ebd., S. 236. Die theoretischen Grundlagen zur Beschreibung des Verflechtungs¬ 
prozesses formulieren: Arthur Benz, Fritz W. Scharpf u. Reinhard Zintl, Horizontale Politikverflechtung. 
Zur Theorie von Verhandlungssystemen, Frankfurt a.M. 1992 (= Schriften des Max-Planck-lnstituts für 
Gesellschaftsforschung 10). 
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