60er Jahre. Der wichtigste Auslöser hierfür war die Wirtschaftskrise der Jahre
1966/67. Hierbei sind drei Wirkweisen dieser Krise zu unterscheiden: Erstens fokus¬
sierte der besondere Verlauf dieser Krise im Saarland die Aufmerksamkeit der Politik
auf Strukturprobleme und ließ die Probleme im Kohlesektor als besonders wichtig
erscheinen. Heftig umstritten waren daher im Saarland die teilweise eigenständigen
Lösungsansätze in diesem Bereich, wobei besonders der Beitritt zur Aktionsgemein¬
schaft Deutscher Steinkohlenreviere und die Tarif- bzw. Kanal-Problematik intensiv
bearbeitet wurden. Insbesondere die Landesregierung war immer wieder gezwungen,
ihre Taktiken den sich schnell verändernden Gegebenheiten und den wechselnden
politischen Bedingungen anzupassen. Auf den regionalspezifischen Verlauf der Krise
ist schließlich zurückzuführen, daß bei ihrem Abflauen ein neuer Konsens in der
optimistischen Bewertung der Zukunftschancen des Montansektors in der saarlän¬
dischen Wirtschaft zustande kam.
Zweitens führte die Thematisierung der Krise durch die Bundespolitik zu einer
Intensivierung der regionalpolitischen Diskussion im Saarland. Die Debatten um das
Stabilitätsgesetz, die Reform der Energiepolitik und die Neufassung der Regional¬
politik brachten teilweise neue Gesichtspunkte in die saarländische Auseinanderset¬
zung ein. Dabei überwog aber weniger die parteipolitische Instrumentalisierung der
Debatte über die nationale Politik; diese trat überwiegend bei der Bewertung kon¬
kreter Maßnahmen, wie z.B. der Politik der Bundesregierung in der Tarif-Frage oder
der Diskussion um den Bau eines Wasserstraßenanschlusses, in den Vordergrund.
Vielmehr löste die bundespolitische Krisenperzeption ein grundlegendes Infragestel¬
len des föderalistischen Systems sowie der Möglichkeiten regionaler Politik aus. Ein
Konsens in diesen Fragen wurde zwar nicht explizit formuliert; trotzdem setzte sich
die Auffassung weitgehend durch, daß das Bundesland die geeignete Struktur zur
Bearbeitung regionaler politischer Probleme und auch des Strukturwandels und seiner
Folgen sei. Dies führte dazu, daß auch auf Seiten der in dieser Frage früher eher
zurückhaltenden Landesregierung die Notwendigkeit von umfassenden Konzeptionen
bzw. politischen Entwicklungsplänen akzeptiert wurde.
Drittens schließlich löste die Krise eine umfassende Auseinandersetzung um die
Deutungshoheit über die Geschichte der Region und die daraus abzuleitenden politi¬
schen Strategien aus. Anders als bei punktuell auftretenden Problemen - wie z.B.
beim Bergarbeiterstreik 1962 - genügte eine partielle Veränderung der Regierungs¬
strategie nun nicht mehr. Besonders deutlich wird dies am Scheitern der Stabilisie¬
rungsversuche zu Anfang der Legislaturperiode. Die über einen längeren Zeitraum
anhaltende und zuletzt praktisch alle Wirtschaftsbereiche erfassende Krise ermöglich¬
te es, eine generelle Revision der Landespolitik einzufordem. Die Landesregierung
geriet dabei vor allem durch den politischen Druck der Opposition zeitweise völlig in
die Defensive. Diese Revision erfolgte teilweise im Saar-Memorandum als eine Art
nachgeholte Regierungserklärung. Hierzu war aber auch die Reinterpretation der
jüngeren saarländischen Zeitgeschichte und der Bewertung der Regierungspolitik in
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