tankem.12 Dementsprechend ging Müller davon aus, daß bis 1980 durch das von ihm
noch erwartete Bevölkerungswachstum und vor allem durch die Schrumpfung des
Montankerns nicht weniger als 120.000 Arbeitsplätze im Saarland fehlen würden.
Dies, so Müller, würde tiefgreifende - auch wirtschaftliche - Entleerungstendenzen in
der Region auslösen, die zu verhindern ökonomisch sinnvoll sei.12,4 Dabei sollte diese
Verhinderungsstrategie auf der durch die prognostizierte mittelfristige Verfügbarkeit
von Arbeitskräften auibauen und eine „Auflockerung“ der Wirtschaftsstruktur durch
die Ansiedlung von montanfremden Industrien, die aber mit dem Montankern doch
verflochten sein sollten, aufbauen. Eine ausführliche Analyse aller in Frage kommen¬
den Branchen führte Müller zu der Vorstellung, daß hierbei vor allem die weiterver¬
arbeitende Industrie und die Petrochemie zu fördern sich als sinnvoll würde erweisen
können.127 129
Die Frage nach der Implementierung seiner Prognosen in der Regionalpolitik be¬
arbeitete Müller nur sehr zurückhaltend. Er gelangte zwar zu einer eindeutig negati¬
ven Bewertung des Einflusses nationaler Politik - insbesondere der Grenzverschie¬
bungen - auf die regionalen Entwicklungspotentiale und sah in den frühen Ansied¬
lungserfolgen nach der Eingliederung gleichermaßen Anzeichen für gelungene
Maßnahmen zur Auflockerung der Industriestruktur. Primär war sein Gesichtspunkt
aber auf konkrete Rückwirkungen auf die europäische Politik bestimmt: Insbesondere
die bereits zitierte skeptische Einschätzung der regionalen Effekte von Frachtsubven¬
tionen als De-facto-Erhaltungssubventionen und seine pointiert vorgetragene Forde¬
rung, die saarländische Montanindustrie müsse für die Zukunft sinnvollerweise aus
dem Kreis förderungswürdiger Industrien ausscheiden, verdeutlichen dies.
Im Konzept durchaus ähnlich gestaltete sich das Gutachten von Gerhard Isenberg,
das - in mehreren Einzelteilen bereits seit 1963 in Arbeit - seine Ergebnisse mit denen
der anderen Gutachter konfrontierte.1311 Auch Isenberg sah in der demographischen
Entwicklung sowie in der prognostizierten Freisetzung von Arbeitskräften durch die
Schwerindustrie einen gewissen Standortvorteil der Region, der aber durch die in
mehrerer Hinsicht „isolierte“1-’1 Lage der Saarwirtschaft überkompensiert zu werden
drohte. Daher gelangte Isenberg zu einer sehr skeptischen Bewertung der regionalen
Wirtschaftsstruktur. Der hohe Anteil von in Beschaffung oder Absatz raumgebunde¬
nen Industrien im Saarland stellte geradezu einen Kontrast zu derjenigen der wachs¬
tumsstarken Region Württemberg-Hohenzollern dar.132 Isenberg sah daher die besten
127 Ebd., S. 112ff.
128 Ebd., S. 144.
129 Ebd., S. 157ff.
130 Gerhard Isenberg, Die künftige Entwicklung der Existenzgrundlagen des Saarlandes und deren
räumliche Auswirkungen, Saarbrücken 1968, hier: Vorbemerkung. Isenberg übernahm in diesem Zeitraum
einen Lehrstuhl für Raumordnung und Landesplanung an der TH Stuttgart und arbeitete später in der
Akademie für Raumforschung und Landesplanung.
131 Ebd., S. 24.
132 Ebd., S. 78.
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