Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

des Saarlandes zu erwarten sei.llx Auch der von ihm - übrigens durchaus zutreffend - 
prognostizierte Rückgang der Beschäftigung bei den Saarbergwerken werde dabei 
das Problem des Arbeitskräftemangels speziell in diesem Gebiet nicht lösen können, 
da großer Mangel vor allem an jungen und gut ausgebildeten Arbeitnehmern in dieser 
Branche bestehe. Da selbst ohne weitere Fördermaßnahmen mit der Entstehung von 
mindestens 8000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in der weiterverarbeitenden Industrie zu 
rechnen sei, sei die Haltung der bestehenden Unternehmen, weitere Ansiedlungen 
verhindern zu wollen, „von ihrem Standpunkt aus nicht ungerechtfertigt“.* 119 * Da 
zudem der Bestand der Hüttenstandorte im Saarland als gesichert anzunehmen sei 
und auch nennenswerte Freisetzungen von Arbeitnehmern aus der Landwirtschaft 
nicht zu erwarten seien, weil der weitere Rückgang in diesem Sektor um ca. 10.000 
Arbeitsstellen vor allem Nebenerwerbslandwirte treffe, seien Spannungen auf dem 
Arbeitsmarkt unvermeidlich, zumal mit Ford in Saarlouis möglicherweise ein neues 
Großunternehmen eine Betriebsstätte errichten wolle.1211 
Die Tietz‘sche Prognose beruhte insofern auf einem Gesamtbild, das ein hohes Maß 
an Strukturkonstanz bei nur leicht sinkendem Industrieanteil annahm und vor allem 
im nördlichen Landesteil weiterhin stark agrarische Struktur vorsah. Dementspre¬ 
chend maß Tietz der landesplanerischen und raumordnenden Politik hohe Bedeutung 
für die Gestaltung und Durchsetzung des kommenden, notwendigen Strukturwandels 
bei. Als Grundlage hierfür wurde die Haushalts- und Finanzsituation einer breiten 
Analyse unterzogen. Dabei kam Tietz zu dem Ergebnis, daß die starke Unterfinanzie¬ 
rung staatlicher und kommunaler Haushalte im Saarland nicht nur den aktuellen 
Handlungsspielraum der Verantwortlichen unangemessen einschränke, sondern daß 
auch der von Land und Gemeinden gleichermaßen beschrittene Ausweg einer starken 
Verschuldung auf Dauer die Entwicklungsmöglichkeiten reduziere.121 Zugleich wurde 
aber auch bemängelt, daß die Strukturen und Institutionen der Zusammenarbeit 
zwischen Land und Gemeinden, aber auch unter den Gemeinden selber, den Problem¬ 
stellungen nicht entsprächen. Erfolgversprechende Kooperationen fänden, so Tietz, 
in der Regel nur in ganz bestimmten Bereichen statt, während Autarkiebestrebungen 
gegenüber der Landeshauptstadt im Raum Saarbrücken eher als kontraproduktiv zu 
bewerten seien.122 Mit diesen strukturellen Defiziten sei zu erklären, daß gezielte 
us Ebd.,S. 80. 
114 Tietz, Saarland, S. 203ff„ Zitat S. 208. 
120 Tietz, Teilräume, S. 98tT. Kritisch äußerte sich der Gutachter auch zur künftigen Rolle des Handels in 
der saarländischen Wirtschaftsstruktur: „Der vielfach erhoffte Aufschwung des saarländischen Gro߬ 
handels als Mittler zwischen Frankreich und der übrigen Bundesrepublik ist ausgeblieben und wird auch 
im Projektionszeitraum nicht eintreten.“, ebd., S. 112. Vgl. hierzu auch: Bruno Tietz, Zum Standort des 
Einzelhandels. Eine Analyse unter Fragestellungen der Raumforschung und Raumordnung dargelegt am 
Beispiel des Saarlandes, in: Raumforschung und Raumordnung 23 (1965), S. 1-18. 
121 Tietz, Teilräume, S. 16411 
122 Ebd., S. 182ff. Die wichtigste Forderung bezog sich auf eine engere Koppelung und Koordination der 
Entwicklungsmaßnahmen von Staat, Gemeinden und Wirtschaft durch eine bessere organische Ver¬ 
flechtung. Einer exakteren Definition der Aufgabenbereiche der Beteiligten sollte dabei eine Erhebung von 
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