land-pfälzisches Regionalbewußtsein geben könne, weil sich ältere Teil-Identitäten
als resistent erwiesen hätten und regionale Argumentationsweisen in der Nachkriegs¬
zeit allenfalls auf Landkreisebene eine gewisse politische Funktion hätten.204 Bei
diesem Urteil zeigt sich Heil inspiriert von Celia Applegates Arbeiten zum Heimat-
begriflf und seiner Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgeschichte. Auch Applegate
kommt zu dem Ergebnis, daß „Germany, in short, was rebuilt from the regions
outward and upward“, daß diese Regionen aber eindeutig unter Rückbezug auf das
Konzept von „Heimat“ konstruiert worden seien;205 die Bundesländer spielen in ihrer
Arbeit dagegen praktisch keine Rolle.206
2.2.2 Grenzen und Möglichkeiten der Bundeslandgeschichte
Muß angesichts dieser weitreichenden methodisch-forschungspraktischen Kritik das
Postulat vom vierfaehen „Nur am Ort“, das noch für Jürgen Reulecke die allgemeine
Grundlegung der modernen Regionalgeschichte gebildet hatte,20 in Perspektive auf
die deutschen Bundesländer abgelehnt werden? Obwohl die Systemqualität der
Bundesländer a priori keineswegs feststeht20X und gut erforschte säkulare Trends der
land-Pfalz 1945-1957, Mainz 1997 (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Ge¬
schichte des Landes Rheinland-Pfalz 21). In seiner „Gründungsgeschichte“ des Landes Rheinland-Pfalz
fuhrt Heil das Konzept des „organischen Föderalismus“ ein. Dabei handelt es sich um das aus Heils Sicht
dominierende Gesellschaftskonzept, das als komplexes System von Weltanschauungen angesichts der
Probleme des Wiederaufbaus die Rückführung gesellschaftlicher Ordnungen auf „überschaubare Verhält¬
nisse“ - in den Gemeinden als Heimat - angemessen erscheinen ließ. Demgegenüber stellten die Länder
einen Strukturbruch dar, der sich jedoch durch die „Konsolidierung der Gesellschaft“ und die „Stabilisie¬
rung der staatlichen Verhältnisse“ zur Mitte der 50er Jahre durchsetzte, vgl. ebd„ S. 13ff. Ähnlich hohe
Bedeutung weisen der kommunalen Ebene zu: Gisela Schwarze, Eine Region im demokratischen Aufbau.
Der Regierungsbezirk Münster 1945/46, Düsseldorf 1984 (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landes¬
geschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 11), und Everhard Holtmann, Politik und Nicht¬
politik. Lokale Erscheinungsformen politischer Kultur im frühen Nachkriegsdeutschland. Das Beispiel
Unna und Kamen, Wiesbaden 1989, wobei letzterer die Ebene des Bundeslandes nicht einmal streift.
2114 Ders., Warum es keine Rheinland-Pfälzer gibt. Über die Beständigkeit und Wirkung älterer Regional¬
identitäten in einem neuen Land, in: Michael Matheus (Hg.), Regionen und Föderalismus. 50 Jahre
Rheinland-Pfalz, Stuttgart 1997, S. 49-64.
205 Celia Applegate, A nation of provincials. The German Idea of Heimat, Berkeley 1990, hier: S. 229ff.
2116 Einen ähnlichen, zeitlich und methodisch aber breiteren Ansatz bietet der Sammelband von Konrad
Köstlin u. Hermann Bausinger (Hgg.), Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur, Neumünster
1980. An alternativen Regionalkonzepten herrscht im übrigen kein Mangel; selbst für wirtschaftsge¬
schichtliche Fragestellungen können derartige Konzeptionen verwendet werden, wie z.B. die Arbeit von
Wolfgang Köllmann, Die Strukturelle Entwicklung des südwestfaelischen Wirtschaftsraumes 1945-1967,
Hagen 1969, zeigt, der explizit einen regionalen Ansatz für den Bezirk eines IHK-Sprengels wählt.
207 Wolfgang Köllmann, Zur Bedeutung der Regionalgeschichte im Rahmen Struktur- und sozialgeschicht¬
licher Konzeptionen, in: Archiv für Sozialgeschichte 15 (1975), S. 43-50, hier: S. 4511'.; Reulecke,
Landesgeschichte, S. 202.
2"x Vgl. zum methodischen Problem der Zusammenhänge von Systemforschung und politischer Kultur
Jakob Schissler, Einleitung, in: ders. (Hg.), Hessen, S. 7-41, hier v.a. S. 7-10. Falls Untersuchungsgegen¬
stände, denen die Systemqualität fehlt, mit systemischen Methoden untersucht werden, führt dies nicht
selten zu schwerwiegenden Fehldeutungen. Auf solche Fehldeutungen im synchronen Vergleich bezog
sich Otto Dann, als er im Zusammenhang mit der beginnenden „modernen“ Regionalgeschichte bemängel¬
te, daß hier nicht selten nur lokal interessante Details durch die Verwendung des Begriffs „Region“ rein
rhetorisch aufgewertet würden. Dann, Region, S. 656. Insbesondere aber im diachronen Vergleich kann ein
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