Perspektive wurde auch deutlich, daß die unterschiedlichen institutionellen und
rechtlichen Rahmenbedingungen von Regionalpolitik in den Staaten der westlichen
Welt „das größte methodische Problem bei internationalen Regionalvergleichen“
darstellen.2' Die Einbeziehung der „institutionell-organisatorischen Ebene“ von Re¬
gionalpolitik macht es daher nötig, strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft als
eine „umfassende, weit über ökonomische Anpassungsleistungen hinausgehende
Aufgabe“ für Regionen anzusehen, der sich regionale Akteure in einer Art „Lern¬
vorgang“ stellten.* 24 26 In den Vordergrund rücken in dieser Perspektive die Kommuni-
kations- und Handlungsnetzwerke regionaler Akteure, die angesichts des durch den
Strukturwandel ausgelösten Problemdrucks auf eine regionsspezifische Weise akti¬
viert wurden.2>
Diese regionsspezifische Aktivierung von regionalen Akteuren bot bei der Bewertung
der wirtschaftlichen Veränderungen im Saarland zu Anfang der 60er Jahre und bei
der politischen Bearbeitung von daraus resultierenden Problemen Anlaß fiir heftige
Kontroversen. Mit der Stagnationskrise trat zu Anfang der 60er Jahre eine wirt¬
schaftliche Entwicklung ein, die weder mit den an die Eingliederung verbundenen
Erwartungen noch mit dem Wirtschaftswunder der Bundesrepublik in Überein¬
stimmung zu bringen war. Anhand einer Analyse der Entwicklung des Bruttosozial¬
produktes konnte diese ungünstige Entwicklung als relative Depression des ganzen
Bundeslandes dargestellt werden.2'1 Insbesondere aus der Perspektive der Stahlkrise
Eine vergleichende Analyse. Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft, Tübingen 1986.
Hans-Ulrich Jung, Regionales Wachstum und räumliche Verteilung von Bevölkerung und wirtschaftlichen
Aktivitäten. Eine Untersuchung räumlicher Ungleichgewichte in Hessen für den Zeitraum 1960-1980,
Hannover 1982 (= Jahrbuch der Geographischen Gesellschaft).
: ' Hommel, Erneuerung, S. 182. Zudem wird durch das hier letztlich unterstellte Primat der Industriepolitik
gegenüber regionalen Politikansätzen die Rolle der Regionen leicht auf die Aufgabe der Regionalisierung
sektoral ausgerichteter, nationaler Programmatik reduziert. Diese Perspektive wird z.B. bevorzugt von
Joachim Jens Hesse, Europäische Regionen zwischen Integrationsanspruch und neuem Regionalismus, in:
Blotevogel (Hg.), Europäische Regionen, S. 11-25, bes. S. 19iT.
24 Heiderose Kilper, Erich Latniak, Dieter Rehfeld u. Georg Simonis, Das Ruhrgebiet im Umbruch.
Strategien regionaler Verflechtung, Opladen 1994, S. 13f. Gernot Grabher, Wachstums-Koalitionen und
Verhinderungs-Allianzen. Entwicklungsimpulse und -blockierungen durch regionale Netzwerke, in:
Informationen zur Raumentwicklung H. 1 1 (1993), S. 749-758.
25 Vgl. hierzu: Hommel, Erneuerung, S. 186. Stark auf das Ruhrgebiet bezogen: Manfred Hommel (Hg.),
Umbau alter Industrieregionen, Stuttgart 1995 (= 49. Deutscher Geographentag Bochum 1). Nach diesem
Ansatz ist verstärkte Aufmerksamkeit auf das „ökonomisch-politische Klima“ zu richten, auf die Frage
also, inwiefern sich „Aufbruchstimmung“ oder „Resignation“ als Grundmuster des Verhaltens regionaler
Akteure darstellen lassen, ebd., S. 181. Vgl. hierzu auch den Versuch von Rainer Klump, Wirtschafts¬
geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zur Kritik neuerer wirtschaftshistorischer Interpretationen aus
ordnungspolitischer Sicht, Wiesbaden 1985, zur Verknüpfung von Modellen der Wirtschaftsgeschichte
und der Institutionensoziologie, der allerdings die Ebene regionaler Akteure weitgehend ausblendet. Die
Gesamtdarstellung von Andreas Schlieper, 150 Jahre Ruhrgebiet. Ein Kapitel deutscher Wirtschafts¬
geschichte, Düsseldorf 1986, bes. S. 177ff., betont besonders die negativen Aspekte des Strukturwandels
im Ruhrgebiet und zeichnet so ein anschauliches - allerdings möglicherweise aus einem verkürzten
Strukturwandelbegrifif resultierendes - Beispiel für eine negative Grundstimmung, die eine gesamte Region
erfaßt hatte.
26 Roesler, Rückgliederung, S. 450ff.
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