Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

und zunächst gegen die Importkohle, später verstärkt auch gegen die Konkurrenz des 
Mineralöls ausgerichtete Maßnahmen erwiesen sich als nicht ausreichend; die in der 
Phase der Expansion angestrebten Förderziele mußten ab Ende der 50er Jahre schritt¬ 
weise zurückgenommen werden. 
Die Zahl der dadurch ausgelösten Zechenschließungen, die in der Bundesrepublik 
sehr schnell zum Abbau von Zehntausenden von Arbeitsplätzen führten, erhöhte sich 
noch durch die gleichzeitig mit teilweise hohen Subventionen geforderten Rationali¬ 
sierungsmaßnahmen. Durch diese Maßnahmen sollte die Kostenstruktur des ganzen 
Wirtschaftssektors verbessert, die Konkurrenzfähigkeit der Kohle im Substitutions¬ 
wettbewerb erhöht und die Entwicklung der energieabhängigen industriellen Wachs¬ 
tumsbranchen gegen Ende des Nachkriegsbooms stabilisiert werden. Die Zuspitzung 
der Kohlekrise in der Rezession der Jahre 1966/672 ' markierte öffentlichkeitswirksam 
das Scheitern der teilweise unzureichenden, teilweise widersprüchlichen oder kontra¬ 
produktiven Maßnahmen und führte mit einer Neuorientierung der Energiepolitik und 
mit der Gründung der Ruhrkohle AG zur Restrukturierung der Steinkohlenwirt¬ 
schaft.* 24 Den Zahlen nach zu urteilen, trafen die Auswirkungen des sektoralen Struk¬ 
turwandels in der Energiewirtschaft das Saarland auf ganz ähnliche Weise. Die 
Montanindustrie, und hierbei insbesondere der Steinkohlenbergbau, hatte die Wirt¬ 
schaft auch des Saarlandes bereits seit dem 19. Jahrhundert dominiert;2"' in der Mitte 
der 50er Jahre stellte allein diese Branche mehr als 60.000 der insgesamt ca. 140.000 
Arbeitsplätze in der Industrie bereit. Bis 1967 schrumpfte das Arbeitsplatzangebot 
dieses Sektors dann um mehr als die Hälfte, und sein Anteil an der Wirtschaftstätig¬ 
keit im Saarland sank dramatisch ab.26 
Zur Untersuchung derartiger Anpassungsprozesse stellt die Industrieregionen-For- 
schung mit dem Konzept „alter Industrieregionen“ ein elaboriertes methodisches 
Burkart Lutz, Die Singularität der europäischen Prosperität nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Kaelble 
(Hg.), Boom, S. 35-59. Werner Glastetter, Rüdiger Paulert u. Ulrich Spörel, Die wirtschaftliche Entwick¬ 
lung in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1980. Befunde, Aspekte, Hintergründe, 2. Aufl. Frankfurt 
a.M. 1983. 
24 Christoph Nonn, Die Ruhrbergbaukrise. Entindustrialisierung und Politik 1958 bis 1969, Göttingen 2001 
(= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 149). Werner Abelshauser, Der Ruhrkohlenbergbau seit 
1945. Wiederaufbau, Krise, Anpassung, München 1984; Peter Schaaf, Ruhrbergbau und Sozialdemokratie. 
Die Energiepolitik der Großen Koalition 1966-1969, Marburg 1978; Harry Walter Jablonowski, Gesell¬ 
schaftliche Kooperationsformen und politisches Instrumentarium zur Bewältigung der Strukturkrise im 
Steinkohlenbergbau und des energiewirtschaftlichen Strukturwandels in der Bundesrepublik bis Anfang 
der 70er Jahre, (Diss.) Dortmund 1978; einen kurzgefaßten Überblick bietet Evelyn Kroker, Zur Entwick¬ 
lung des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr zwischen 1945 und 1980, in: Jens Hohensee u. Michael 
Salewski (Hgg.), Energie - Politik - Geschichte. Nationale und internationale Energiepolitik seit 1945, 
Stuttgart 1993 (= Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft Beiheft 5), S. 75-88. 
25 Ralf Banken, Die Industrialisierung der Saarregion 1815-1914. Die Frühindustrialisierung 1815-1850, 
Stuttgart 2000 (= Regionale Industrialisierung 1). 
26 Saarbergwerke AG (Hg.), 25 Jahre Saarbergwerke AG 1957-1982, Saarbrücken 1982. Delf Slotta, Der 
Saarbergbau in den Jahren 1955-1957, Saarbrücken 1985; ders., Die Entwicklung der Saarbergwerke AG 
in den Jahren 1958 bis 1984, Saarbrücken 1986. 
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