Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

Erst in jüngster Zeit zeichnet sich eine Wende ab: Die Wiederaufnahme der Debatte 
über Chancen und Möglichkeiten regionaler Untersuchungsmethoden in der Neueren 
Geschichte und der Zeitgeschichte14 führte zu dem Postulat von der „Notwendigkeit“ 
der Bundeslandgeschichte.15 Für das Saarland der 60er Jahre ist diese „Notwendig¬ 
keit“ besonders evident, weil in der speziellen Vorgeschichte des Bundeslandes 
einzigartige Kontinuitätslinien in die Nachkriegszeit und darüber hinaus angelegt 
sind16 und weil mit der Interpretation des Referendums als historischer Zäsur die 
höchst umstrittene These der durch den Bruch dieser Kontinuitätslinien bedingten 
Entstehung einer besonderen regionalen politischen Kultur verbunden ist.17 
Die erste zentrale Fragestellung der folgenden Untersuchung basiert daher darauf, daß 
zur Kennzeichnung der komplexen Vorgänge bei der Integration des Saarlandes in 
die ebenfalls im Wandel begriffene Bundesrepublik der Begriff „Eingliederung“ als 
eher angemessen anzusehen ist. Zu klären ist, inwiefern der 23. Oktober 1955 aus der 
Perspektive der 60er Jahre eine Zäsur in der Geschichte des Landes darstellte. Muß 
die Neuordnung politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse als 
Traditionsbruch gegenüber dem Saarstaat der Nachkriegszeit verstanden werden, und 
inwieweit ist diese Neuordnung auch als Perzeption von für die Bundesrepublik der 
60er Jahre typischen Veränderungen zu verstehen? Wie bewältigte die saarländische 
Politik die durch diese Neuordnung bedingten politischen Aufgaben, inwiefern stellte 
die Eingliederung einen Beitrag zur Lösung der politischen Probleme des Landes dar 
und welche mittelfristige Bedeutung ist ihr daher zuzumessen? 
* * * 
14 Frank Göttmann, Überden Raum als Forschungsgegenstand und Forschungsansatz der Geschichte - ein 
Problem nicht nur der Landes- und Regionalgeschichte, in: Ludger Grevelhörster u. Wolfgang Marón 
(Hgg.), Region und Gesellschaft im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts. Studien zur neueren 
Geschichte und westfälischen Landesgeschichte, Paderborn 1995, S. 42-63, und Reinhard Stäuber, 
Regionalgeschichte versus Landesgeschichte? Entwicklung und Bewertung von Konzepten der Erfor¬ 
schung von „Geschichte in kleinen Räumen“, in: Geschichte und Region / Storia e regione 3 (1994), 
S. 227-260. 
15 Früh bereits: Hans-Joachim Behr, Zeitgeschichte in Land und Region. Anmerkungen und Hinweise, in: 
Geschichte im Westen 4 (1989), S. 181-197, und Kurt Düwell, Föderalismus und Zeitgeschichte. Zur 
Kontinuitätsproblematik des Bund-Länder-Verhältnisses, in: ebd., S. 36-46. Zur Bundeslandgeschichte als 
Forschungsfeld vgl. die methodischen Vorarbeiten von Detlef Briesen, Warum Bundeslandgeschichte? 
Reflexionen am Beispiel einer „Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte des Rheinlandes und Westfalens 
1955-1995“, in: Comparativ 5 (1995), S. 102-111, und Emst Hinrichs, Bundeslandgeschichte zwischen 
Regionalgeschichte und „Staaten“geschichte. Eine Betrachtung anläßlich des Jubiläums des Landes 
Niedersachsen, in: Hans-Jürgen Gerhard (Hg.), Struktur und Dimension. Festschrift für Karl Heinrich 
Kaufhold, Stuttgart 1997, Bd. 2 S. 487-497. 
16 Hans-Walter Herrmann, Das Saarland: Vom Industrierevier zum Bundesland, in: Deutsche Kunst und 
Denkmalpflege 48 (1990), S. 81-89, hier: S. 88. 
17 Dietmar Hüser, Wahlen, Parteien und politische Kultur im Saarland der 70er und 80er Jahre - Aspekte 
eines Umbruchs mit Konstanten, in: Edwin Dillmann u. Richard van Dülmen (Hgg.), Lebenserfahrungen 
an der Saar. Studien zur Alltagskultur 1945-1995, St. Ingbert 1996, S. 40-65, hier: S. 55. Hans Horch, 
Saarländische Legenden. Anmerkungen zur regionalistischen Geschichtsschreibung, in: Saarbrücker Hefte 
63 (1990), S. 33-38. 
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