System dar: Ein derartiges Bekenntnis war rein formal nicht gefordert, und außerdem
hatten sich rechtzeitig vor der Landtagswahl ohnehin alle Parteien dazu bekannt. 0
Wahrscheinlich erklärt der - wenn auch bei einigen Beteiligten nur schwer akzeptier¬
te - Konsens in dieser Frage und die Unklarheit darüber, wie dieses Votum konkret
würde umgesetzt werden können, die programmatische Unschärfe und die auffällige
Gelassenheit im Wahlkampf zu den Landtagswahlen 1955. 1
Eine Klärung der Verhältnisse war von den Wahlen nicht zu erwarten - und trat auch
nicht ein. Die Wahlergebnisse brachten einen deutlichen, wenn auch nicht überragen¬
den Sieg des Heimatbundes, aber auch eine in diesem Umfang nicht erwartete Stabili¬
sierung der CVP. : Dies löste bei den Beobachtern große Unsicherheit aus. ’ Einig¬
keit bestand allenfalls in der Einschätzung, daß das Ergebnis der SPS - aber auch der
SPD - als besonders schlecht zu bewerten sei. 4 Völlig anders dagegen stellte sich die
Situation im Umfeld der Kommunalwahlen am 13. Mai 1956 dar. Nachdem in einem
heftig geführten Wahlkampf die alten Gegensätze noch einmal in aller Schärfe
aufeinandergeprallt waren - was, wie bereits erwähnt, bis hin zur internationalen
Ebene Aufmerksamkeit erregte -, traten einige Grundlinien der weiteren Entwicklung
im Kräfteverhältnis der Parteien zutage. Nach den Stimmenanteilen stabilisierten sich
die Resultate von DPS und Sozialdemokraten gegenüber den Landtagswahlen -
allerdings mit unterschiedlichen Vorzeichen, nämlich mit leichten Verlusten für die
DPS und geringfügigen Gewinnen für die SPD. Deutlicher waren dagegen schon die
Verluste der CVP, von denen jedoch die CDU kaum profitieren konnte, ganz im
Gegensatz zur SPD, die zumindest nach den reinen Zahlen die SPS-Anteile bei den
Landtagswahlen von 1955 weitgehend für sich gewinnen konnte. Auch die regionale
Verteilung der Stimmenanteile bestätigte bereits bekannte Muster. Die SPD konnte
besonders in den Kreisen Homburg, Ottweiler und Saarbrücken-Land gute Ergebnisse
erzielen, die CDU war in den Kreisen Saarlouis, Merzig und St. Wendel stark ver¬
treten, und schließlich errang die CVP ihre besten Ergebnisse in den Kreisen Saar¬
brücken-Stadt und St. Ingbert. Eindeutiger Schwerpunkt der DPS war - wie bereits
Die CVP hatte im November 1955 bei einem außerordentlichen Parteitag diese „Hürde“ genommen,
indem sie in einer politischen Entschließung dem Ergebnis des Referendums Rechnung trug. Sehr kritisch
hierzu Robert H. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 3 S. 3921T.
7| Ausführlich zur Programmatik der einzelnen Parteien: Cahn, Second retour, S. 29ff.
: Die Ergebnisse des Referendums und der Landtagswahl 1955 wurden mittlerweile neu publiziert in:
Statistisches Landesamt Saarland (Hg.), Das Ergebnis der Volksbefragung am 23. Oktober 1955. Nach¬
druck anläßlich des 40. Jahrestages der Volksbefragung über das Europäische Statut für das Saarland am
23. Oktober 1955, Saarbrücken 1995.
' Ausführlich zur Presseberichterstattung über die Wahlergebnisse: Kraus, Saarfrage; sehr einseitig als
„Enttäuschung, ja Wut in Paris“ stellt dagegen Lappenküper, Deutsch-französische Beziehungen, S. 1111,
die Reaktionen der Presse in Frankreich dar, von der jedoch lt. Cahn das gute Ergebnis der CVP nicht
übersehen worden ist, Cahn, Second retour, S. 43ff.
74 Gestier u. Herrmann, Christliche Einigung, S. 284.
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