Territoriums an der mittleren Saar bereits seit 1946 zum Problem geworden. Schon
die Herauslösung der Saar aus der französischen Besatzungszone war auf teilweise
scharfen Widerstand bei den anderen Besatzungsmächten gestoßen; erst recht fand sie
Widerspruch bei vielen politischen Kräften in Deutschland. Nach der Gründung der
Bundesrepublik entwickelte sich die „Saarfrage“ sehr rasch zum wichtigsten Problem
im Prozeß der deutsch-französischen Verständigung und der europäischen Integrati¬
on. Auch im Saarland selber formierten sich ab 1949/50 politische Gruppen, die die
Autonomie-Politik des ersten Ministerpräsidenten des Saarlandes, des Christdemo¬
kraten Johannes Hoffmann, nicht mittragen wollten. Zusätzlichen Zündstoff lieferten
die vielfältigen Schwierigkeiten bei der Lösung landespolitischer Probleme, die unter
den besonderen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Teilautonomie
immer wieder zermürbende und mit wechselnden Koalitionen geführte Konflikte
zwischen Saarländern, der Pariser Zentrale und ihrem Vertreter in Saarbrücken,
Gilbert Grandval, hervorriefen. Eine Lösung zeichnete sich erst im Oktober 1954 ab,
als es nach langwierigen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene gelang, ein
europäisches Statut für das Saarland zu formulieren. Dieses Statut sollte die völker¬
rechtliche Absicherung und in deren Gefolge auch die wirtschaftspolitische Weiter¬
entwicklung der Teilautonomie gewährleisten. Das Projekt scheiterte jedoch ein Jahr
später am Mehrheitswillen der saarländischen Bevölkerung, die sich in einem Volks¬
entscheid mit Zweidrittel der Abstimmungsberechtigen dagegen aussprach.4
Klarheit war damit jedoch noch nicht geschaffen. Zwar konnte das Abstimmungs¬
ergebnis kaum anders denn als ein Votum für Deutschland interpretiert werden; eine
solche Lösung stand aber formal betrachtet gar nicht zur Diskussion, weil im Unter¬
schied zur ersten Saarabstimmung vom 13. Januar 1935 der nun zur Entscheidung
vorgelegte Entwurf keine Option für Deutschland enthielt. Auch die Gründe, die zur
Ablehnung des Statuts von 1955 führten, sind durchaus umstritten. Möglicherweise
hatte ganz allgemein die Idee eines teilautonomen, auch politisch eng an Frankreich
angebundenen Saarstaates keine Mehrheit. Irreparabler Schaden war der europäischen
Vision aber wahrscheinlich schon in dem Moment zugefügt worden, als der Versuch
der Schaffung einer europäischen politischen Gemeinschaft scheiterte; selbst bei
manchen „Ja-Sagern“ herrschten seitdem Zweifel darüber, daß die komplizierten
4 Einen Überblick über die ältere Literatur bieten Kurt Walter Rahn, Monographische Literatur zur
Saarfrage und zur zeitgenössischen Entwicklung im Saargebiet, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
12 (1964), S. 1281-1290, und Hans-Walter Herrmann, Literatur zur frühen Nachkriegsgeschichte des
Saarlandes 1945-1957, in: Revue d'Allemagne 15 (1983), S. 115-142. Stadtverband Saarbrücken, Regio¬
nalgeschichtliches Museum (Hg.), Von der „Stunde 0“ zum „Tag X“. Das Saarland 1945-1959, Katalog
zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1990; Rainer
Hudemann u. Raymond Poidevin unter Mitarbeit v. Annette Maas (Hgg.), Die Saar 1945-1955. Ein
Problem der europäischen Geschichte, München 1992; Rainer Hudemann, Burkhard Jellonnek u. Bernd
Rauls unter Mitarbeit v. Marcus Hahn (Hgg.), Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und
Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997 (= Geschichte, Politik und Gesellschaft. Schriftenreihe der
Stiftung Demokratie Saarland 1), und die Gesamtdarstellung von Armin Heinen, Saarjahre. Politik und
Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996, gewähren umfassenden Zugang zu Forschungsstand
und Forschungsgebieten zum Saarland der Nachkriegszeit.
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