Einleitung
Als unlängst festgestellt werden konnte, daß sich in der zeithistorischen Forschung
ein Konsens über das Jahr 1957 als Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland herausgebildet hat, so geschah dies nicht mit Blick auf das Saarland.1
Und dennoch markiert dieses Jahr auch in regionalgeschichtlicher Perspektive einen
Einschnitt, denn der 1. Januar 1957 kann mit dem Beitritt des Saarlandes zur Bundes¬
republik sozusagen als Geburtsstunde des bis zur Wiedervereinigung des Jahres 1990
jüngsten Bundeslandes gelten. Mit der „Wiedervereinigung im kleinen“2 waren
emorme Herausforderungen verbunden: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war in
enger Zusammenarbeit mit der französischen Besatzungsmacht und teilweise unter
deren Führung ein eigenständiger Saarstaat gegründet worden, der in politischer
Hinsicht einen teilautonomen Status besaß und in einer engen Währungs- und Zoll¬
union mit seinem westlichen Nachbarn verbunden war. Der französische Franc war
Zahlungsmittel, die Ökonomie des Landes hatte unter den speziellen außenwirt¬
schaftlichen Bedingungen französischer Politik ihre Frankreich-Orientierung stark
intensiviert, und auch die meisten rechtlichen und administrativen Normen folgten
eigenständigen, teilweise an das französische Vorbild angelehnten, jedenfalls von
bundesdeutschen Regelungen mehr oder weniger stark abweichenden Prinzipien. All’
dies galt es bei der Integration in die Bundesrepublik in einem gestreckten Verfahren
anzugleichen, das nach dem politischen Beitritt am 1. Januar 1957 eine Übergangszeit
bis zur vollständigen, auch wirtschaftlichen Integration am 5./6. Juli 1959 vorsah.3
Die politische Grundlage dieser Integration bildete das Referendum vom 23. Oktober
1955. Auf internationaler Ebene war die Frage der nationalen Zugehörigkeit des
' Gabriele Metzler, Breite Straßen, schmale Pfade. Fünf Wege zur Geschichte der Bundesrepublik, in:
Neue Politische Literatur 46 (2002), S. 244-267, hier: S. 247. Vgl. hierzu auch: Paul Nolte, Einführung:
Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 28
(2002), S. 175-182; Werner Abelshauser, Die Langen Fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der
Bundesrepublik Deutschland 1949-1966, Düsseldorf 1987. Vgl. hierzu auch Hans-Peter Schwarz, Die
Fünfziger Jahre als Epochenzäsur, in: Jürgen Heideking, Gerhard Hufnagel u. Franz Knipping (Hgg.),
Wege in die Zeitgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Gerhard Schulz, Berlin u. New York 1989,
S. 473-496.
: Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, Stuttgart 1983 (= Karl Dietrich Bracher u.a. (Hgg.),
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 3), S. 282.
3 Einen kurzen Abriß wichtiger Fakten bieten Wilfried Loth, „Ein vertracktes Gelände“. Das Bundesland
Saarland 1957-1989, in: Das Saarland - Der Chef der Staatskanzlei (Hg.), Das Saarland. Politische,
wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, Saarbrücken 1991, S. 111-140, sowie Burkhard Jellonnek
unter Mitarbeit von Marlene Schweigerer-Kartmann, Das Saarland, in: Hans-Georg Wehling (Hg.), Die
deutschen Länder. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Opladen 2000, S. 203-221. Zur Eingliederung vgl.
Armin Heinen, Ein saarländischer Blick zurück in die Zukunft. Warum die Geschichte des Saarlandes ein
Lehrstück für die bevorstehende Vereinigung Deutschlands sein kann, in: Saarbrücker Zeitung,
31.3./1.4.1990; Wilfried Fiedler, Die Rückgliederung des Saarlandes an Deutschland - Erfahrungen für die
Zusammenarbeit zwischen Bundesrepublik Deutschland und DDR? Staats- und völkerrechtliche Überle¬
gungen, in: Juristenzeitung 45 (1990), S. 668-675; Hans-Walter Herrmann, Modellfall Saar. Der Beitritt
des Saarlandes und der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Ein Vergleich, in: Saarheimat 35 (1991),
S. 43-48; Hans-Christian Herrmann, Eine Bilanz der kleinen Wiedervereinigung. 40 Jahre nach der
wirtschaftlichen Rückgliederung des Saarlandes, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 48
(2000), S. 309-328.
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