Rechtschreibung"161 wie das neue, vom Staat gesetzte Recht nicht nur an die Stelle
des alten Rechtsbegnffs, sondern in letzter Konsequenz auch an die Stelle des
Gnadenbegriffs zu treten begann162. In Bezug auf die bislang nicht regulierten Fronen
empfahl Schmoll, mit jeder Meierei einen Fronkontrakt auf bis zu 10 Jahre zu schlie¬
ßen, wobei die bisherige alternative Abgabeform in Naturalien oder in Geld durchaus
beibehalten werden könne, es ginge nur darum, daß mann ein gewisses Reglement
hatt und nichts arbitrio des Landcammermeisters und Renthmeisters gehandelt
werden kann; Schmoll, der selbst schon - allerdings ergebnislos - versucht hatte,
mit der Meierei Köllertal einen Fronkontrakt über ein bestimmtes Frongeld zu
schließen, hielt dafür, daß man über emen solchen Vertrag vorher mit den Untertanen
verhandeln müsse163. Bei den Landgeldem, die sich aus Reichs-, Kreis- und
landesherrlichen Steuern zusammensetzten und jährlich in die Grafschaft außge-
schlagen wurden, fand er, sei eine genaue Einsicht erforderlich, weshalb zu Anfang
eines jeden Jahres eine exakte Spezifikation der auszuschreibenden Gelder erstellt
und zur Ratifikation an die Herrschaft gesandt werden müsse, damit die Untertanen
nicht über Gebühr belastet würden164. Schmoll machte noch weitere Vorschläge, die
die Zehnten, die Zölle, die Getränkesteuer, den Weinverkauf, die Verpachtung von
Branntwein, Wein und Tabak und vieles mehr betrafen165. Der nassau-usingischen
Fürstin war es nicht möglich, alle Reformvorschläge in die Praxis umzusetzen, denn
"die Zeitumstände, welche durch die neu eingebrochenen Kriegesereignisse (des
polnischen Erbfolgekrieges, K.R.) herbei geführt wurden, verhinderten die völlige
Durchführung ihrer guten Absichten, die erst unter der Regierung ihres Sohnes
Wilhelm Heinrich verwirklicht werden konnten"166. Dennoch: Einige Reformma߬
nahmen wurden auch unter nassau-usmgischer Vormundschaft verwirklicht.
Fürstin Charlotte Amalie schuf - so heißt es - "gemeinsam mit einem geschickt und
umsichtig ausgewählten Beamtenstab, die Grundlagen eines modernen absolutisti¬
schen Staates, auf denen ihre Söhne, Karl in Usingen und Wilhelm Heinrich in
Saarbrücken, weiterbauen konnten"167. Der Anteil der Beamtenschaft an der
absolutistischen Reformpolitik der vormundschaftlichen Herrschaft ist unklar168. Was
die Urheberschaft der Reformen angeht, dürfte wohl dasgleiche gelten wie für die
l6! Vgl. Kern, Recht, S.23.
163 Vgl. Brunner, Gottesgnadentum, S.160-186.
163 Schmoll-Bericht, Jugenheim 4.Mai 1731: LA SB 22/2461, fol.38-42 (zit.41 v.); schon die Länge, die
Schmoll diesem Punkt widmet (rund 12 Seiten), zeigt die Bedeutung.
164 Ebd., fol.22; zu den Landgeldem in Nassau-Saarbrücken vgl. Gerhard, Steuerwesen, S.140ff.
165 Vgl den Schmoll-Bericht, Jugenheim 4. Mai 1731: LA SB 22/2461, fol. 19-52.
166 Köllner, Land, S.442; vgl auch Herrmann, Menhire, S.17f.: "Erst gegen Ende der 1730er Jahre
bahnten sich stabilere Verhältnisse an" (S.18).
167 Vgl. Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.21.
i6K Vgl. allgem. zum Problem des nicht erforschten Anteils der Beamtenschaft an der aufgeklärten
Reformpolitik in Nassau-Saarbrücken Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.62-64.
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