lutherischen, sondern dem kalvinistischen Glaubensbekenntnis angehörte36. Für die
Prägung der 'politischen Kultur', d.h. für die Haltung der Herrschaft zur Untertanen¬
schaft und umgekehrt37, und für die Ausgestaltung herrschaftlicher Politik darf dieses
Faktum nicht unterschätzt werden. Max Weber hat bekanntlich dem Kalvinismus vor
allem aufgrund der Prädestinations- und Gnadenwahllehre einen wesentlich höheren
Rationalisierungsgrad zugeschrieben als der rein lutherischen Lehre38. Wir wollen
diesen religiös geprägten Aspekt im Auge behalten, wenn wir uns im folgenden dem
von der Vormünderin, Fürstin Charlotte Amalie, inszenierten Huldigungsakt zuwen¬
den.
Nachdem Graf Friedrich Ludwig, der sich am 28.April 1728 mit seinem Hofstaat von
seiner Ottweiler Residenz ins Saarbrücker Schloß verfügt hatte, am 25.Mai mittags
zwischen zwölf und ein Uhr gestorben war, ließen die anwesenden Regierungsräte
Schreiber, Schmitt und Stutz sogleich die Schloßwache auf das sukzedierende Haus
Nassau-Usingen mittels genommener Handtreu vereiden, die Tore am Schloß sowie
an den beiden Städten Saarbrücken und St.Johann verschließen und die Wachen ver¬
doppeln. Noch am gleichen Tag schickten die Regierungsräte den Kammerschreiber
Ibell als Kurier nach Usingen, um der Fürstin die Nachricht vom Todesfall zu über¬
mitteln und den entsprechenden Verhaltungs-Befehl entgegenzunehmen39 40. Schon
einen Tag später setzte die Fürstin eine Instruction auf, wonach sich ihr Gevollmäch-
tigter bey Einnehmung der Huldigung in denen Grafschaften Saarbrücken und
Saarwerden sambt der Vogtey Herbitzheim und Herrschaft Ottweiler, auch sonst in
andern Sachen zu achten (habe/0. Die 14-Punkte starke Instruktion war eine ganz
nüchtern gehaltene Dienstanweisung für einen Bevollmächtigten, der im Namen der
Fürstin die Huldigung in den linksrheinischen Landesteilen durchführen sollte. Tags
darauf, am 27.Mai, stellte die Fürstin die offizielle Vollmachtsurkunde auf ihren
Geheimen Revisionsrat, den ehemaligen idsteinischen Hof- und Regierungsrat
36 Zur Festlegung der lutherischen Konfession als herrschender Landesreligion vgl. Bleymehl, Probleme,
S.85; allgem. zur Einführung der Reformation in Nassau-Saarbrücken und zur Entwicklung der
nassau-saarbrückischen Landeskirche bis 1635 vgl. Herrmann, Reformation, $.42-111.
3’ Zu Begriff und Konzeption der aus der Politikwissenschaft übernommenen und auf die beiden
amerikanischen Forscher Allmond und Verba zurückgehenden 'politischen Kultur’ vgl. den For¬
schungsbericht bei Linsmayer, Politische Kultur, S.9-22 u. dessen eigenständigen konzeptionellen
Vorschläge S.437-456.
38 Vgl. Weber, Protestantische Ethik, S.88-128.
3y Vgl. die Saarbrücker Regierungsakte vom 25.Mai 1728: HHSTA WI 131 /Ia 16, unpag.; die Namen
der anwesenden Saarbrücker Regierungsräte ergeben sich aus dem 'Diarium' des usingischen Ge¬
heimen Revisionsrats Friedrich von Bode: ebd. (Einleitung).
40 Instruktion der Usinger Fürstin Charlotte Amalie, Usingen 26.Mai 1728: HHSTA WI 131 /Ia 16,
unpag.
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