Full text: Obrigkeit und Untertanen

es bei der alten Regelung, d.h. die gewünschte Ausdehnung auf die beiden herr¬ 
schaftlichen Wirtshäuser außerhalb der Stadtmauern wurde abgeschlagen; und auch 
den Bitten um Wiedergewährung der Weinkaufzehrungen auf dem Rathaus und um 
völlige Überlassung der Weinkompetenz wurde nicht entsprochen. Zusätzlich aber 
hob der Fürst zu beßerer Aufnahme des Handels das Koppel- und Kreuzergeld gegen 
eine jährliche Zahlung von 200 Gulden auf188. Alles in allem hatte der Protest der 
Städte einiges bewirkt: Die wichtigsten Privilegien waren ihnen bestätigt worden - 
die Befreiung von der Leibeigenschaft, die Zivilgerichtsbarkeit in innerstädtischen 
Angelegenheiten, das Gerichtssiegel und die relativ autonome Verwaltung der städti¬ 
schen Finanzen; auch hatten sie zusätzliche Freiheiten erhalten, wie die Befreiung 
letzter Überbleibsel herrschaftlicher Frondienste aus dem Freiheitsbrief oder die 
(wenn auch nicht entschädigungslose) Aufhebung des lästigen Koppel- und Kreuzer¬ 
geldes. Aber die neuerlichen, ganz spezifischen ökonomischen Forderungen, die sich 
aus dem Kontext der Zeit ergaben, wurden entweder gänzlich abgeschlagen oder nur 
partiell erfüllt: Gerade die gewünschte Ausdehnung des Ohmgeld-Anteils auf die 
herrschaftlichen Wirtshäuser, wegen der sich die ganze Angelegenheit verzögert 
hatte, wurde nicht zugestanden; und der aus wirtschaftlicher Sicht so bedeutenden 
Bitte um uneingeschränkte Befreiung vom Brückengeld wurde nur zum Teil entspro¬ 
chen. Vor allem aber litt die 'Punktation' an einem Hauptmangel: Sie stellte nicht die 
bis zur nassau-usingischen Herrschaftsübemahme üblich gewesene generelle 
Pnvilegienkonfirmation dar, um die die Städte eigentlich gebeten hatten. Im Gegen¬ 
teil, sie listete an erster Stelle statt der städtischen Privilegien die herrschaftlichen 
Rechte und bürgerlichen Pflichten des alten Freiheitsbriefes auf. Damit signalisierte 
die Herrschaft, wie sie sich künftig das Verhältnis zu den Bürgern vorstellte -'ein¬ 
seitig', auf Befehl und Gehorsam reduziert, und nicht mehr wie früher 'zweiseitig' als 
ein mehr oder minder harmonisches Miteinander189 *. 
Als den Gerichtsleuten und einige(n) aus der Bürgerschaft am 14.Februar 1764 die 
Urkunde Wilhelm Heinrichs bekannt gemacht wurde, da erbaten sie sogleich eine 
Abschrift zu näherer Überlegung,90. Schon drei Wochen später meldeten sich die 
Gerichtsmänner im Namen der Städte beim Fürsten und brachten ihren Unmut über 
die Art und Weise zum Ausdruck, wie die städtischen Privilegien in der Punctation 
bestätigt wurden. Dabei störten sie insbesondere drei Punkte: Erstens die Tatsache, 
daß die Herrschaft nun gerade bei diesen theuren Frucht Zeiten von ihrem Recht 
Gebrauch machen wolle, Bannmühlen und Bannbacköfen in den Städten anzulegen, 
188 Vgl. die Punktation v.11.Februar 1764: LA SB 22/2851, fol.l 16r.; die Befreiung vom Koppel- und 
Kreuzergeld war bereits unmittelbar zuvor erlassen worden, sie ging auf eine Konvention vom 
3.Februar 1764 zurück, vgl. das Votum des Saarbrücker Regierungsrats Lautz v. 9.Februar 1764: ebd., 
fol.l 05r. 
189 Vgl. nochmals allgem. dazu Maier, Genesis, S. 18-35; Oestreich, Strukturprobleme, S.188f. 
I9I) Vgl. den Vermerk des Saarbrücker Regierungsrats Lautz, Saarbrücken 14.Februar 1764: LA SB 
22/2851, fol.l07r. 
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