herrschaftl(iche)n Reservata darinnen stecken, welche mit der Zeit wieder in Gang
gebracht werden mögtenl61. Während die Städte um Bestätigung und Erweiterung
ihrer Privilegien kämpften, dachte die Herrschaft an Wahrung und Ausdehnung ihrer
eigenen Rechte. Dieser Grundwiderspruch zwischen "Autonomie und Polizei", d.h.
zwischen politisch-polizeilicher Machtausdehnung und ständisch-korporativen
Autonomierechten, verlieh dem Privilegienstreit der beiden Saarstädte seinen prinzi¬
piellen Charakter162.
Am 9.November 1762, also ein halbes Jahr nach Übergabe der Supplik war das
gemeinsam erabeitete Regierungs- und Kameralgutachten fertig und konnte dem
Fürsten übersandt werden163. Die herrschaftlichen Behörden machten dem Fürsten
klar, daß es nicht möglich sei, die städtischen Privilegien von 1322 - wie sie es noch
in ihrem Gutachten von 1741 gefordert hatten - mit Vorbehalt herrschaftlicher
Abänderung zu bestättigen\ ein solcher Vorbehalt würde nämlich bey uralten her¬
gebrachten Privilegiis so viel als eine vorläufige Aufhebung derselben bedeuten;
dagegen sei es rechtlich unbedenklich, die Privilegien generaliter zu bestättigen,
dabey aber auch die darinn enthaltenen herrschaftlichen Gerechtsamen ebenfalls
vorzubehalten164. Die Behörden plädierten für eine dem Rechtscharakter der Privile¬
gien entsprechende Handhabung, die wenn nicht die Erweiterung, so doch zumindest
die Wahrung der herrschaftlichen Rechte ermöglichte. Die Stellungnahme zu den
einzelnen speziellen Forderungen der Städte braucht uns hier nicht weiter zu inter¬
essieren, weil allein der Bescheid des Fürsten maßgeblich war. Die Antwort Wilhelm
Heinrichs ließ nochmals fast eineinhalb Jahre auf sich warten. Der Fürst war zwar
mit dem Antrag seiner Behörden alles in allem zufrieden, wollte aber doch noch den
näheren Bericht erwarten, wie über alle Puncte der sogenannten Freyheit namentlich
schicklich zu decretiren seye165. Der für den reformabsolutistischen Polizeistaat
geradezu typische und dem Grundcharakter der Privilegien so zuwiderlaufende
Wunsch der Einzel-Begutachtung war allerdings nicht allein verantwortlich für die
Verzögerung der Privilegienbestätigung. Das Haupthindernis bestand vielmehr in der
Forderung der Städte nach Ausdehnung des halben Ohmgeldes auf die beiden herr¬
schaftlichen Wirtshäuser außerhalb der Stadtmauern166. Genau dies sah nämlich die
Ohmgeldverleihung aus dem Jahre 1457 nicht vor, so daß die Städte in Beweisnot
161 Votum des Saarbrücker Regierungsrats Lex v. 20.Mai 1762: LA SB 22/2851, fol 43r.
I6: Vgl. allgem. zu diesem Widerspruch Willoweit, Intermediäre Gewalten, hier bes. S.17, wo es heißt,
daß sich "Autonomie und Polizei (...) nicht miteinander vertragen".
163 Vgl. das Endgutachten der Saarbrücker Regierung v. 9.November 1762: LA SB 22/2851, fol.77-85.
164 Ebd., fol.78f.
165 Vgl. den Vermerk des Saarbrücker Regierungsrats Lautz über die Antwort des Fürsten v. 15.Dezember
1762: LA SB 22/2851, fol.85r.
Ifi6 Vgl. das Endgutachten v. 9.11.1762, wo es zu diesem Punkt des Ohmgeldes heißt, daß die Städte die
Ausdehnung erst beweisen müßten, bevor das Hauptdecret ausgestellt werden könnte (LA SB
22/2851, fol.82v.).
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