Gegenwart gehalten100. Erst im Gefolge der Zweihundertjahr-Feier der Französischen
Revolution erschienen auch zum Fürstentum Nassau-Saarbrücken einige Protest¬
studien, die zum ersten Mal auf ein vorrevolutionäres Konfliktpotential aufmerksam
machten und das gängige Urteil wenigstens so weit revidierten, daß es nun hieß,
1789 habe sich "eine schon seit langem aufgestaute Unzufriedenheit" entladen101. Da
die vorrevolutionären Konflikte allerdings nicht behandelt, sondern nur einige
Konfliktgegenstände aus den ländlichen Suppliken des Teuerungsjahres 1776/77
genannt wurden, blieb unklar, worin diese 'Unzufriedenheit' exakt bestanden hat,
welche Gemeinden beteiligt waren und welche nicht, wie die Konflikte ausgetragen
wurden und welchen Verlauf sie nahmen, ob und inwieweit eine qualitative oder
quantitative Veränderung stattfand und vor allem: in welchem Zusammenhang die
vorrevolutionären Proteste mit der herrschaftlichen Reformpolitik standen102. Völlig
zu Recht konnte daher Johannes Schmitt am Ende der Revolutionsfeierlichkeiten von
1989 hinsichtlich der Frage nach der Reaktion der Stadt- und Landuntertanen auf den
absolutistischen Staatsausbau im 18.Jahrhundert behaupten: "Inwieweit sich hier
insgesamt ein Konfliktpotential aufbaute, ist noch nicht einmal ansatzweise für die
Saarregion untersucht"103. Vorliegende Studie schließt nun diese landesgeschichtliche
Forschungslücke, indem sie - was die Proteste betrifft - ausschließlich auf unge¬
drucktes Quellenmaterial zurückgreift.
Das wichtigste Aktenmaterial befmdet sich im Landesarchiv Saarbrücken im Bestand
'Nassau-Saarbrücken II'104 und im Stadtarchiv Saarbrücken in den Beständen 'Stadt¬
gericht Saarbrücken', 'Stadtgericht St.Johann' und 'Gemeinsames Stadtgericht'105.
Daneben wurden Quellen aus anderen Archiven und Bibliotheken herangezogen,
vornehmlich: der landeskundlichen Abteilung der Stadtbibliothek Saarbrücken, dem
Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, der Landesbibliothek Wiesbaden, dem
Landeshauptarchiv Koblenz und den Archives Départementales Bas-Rhin in Stra߬
KX| Vgt. explizit Ecker, Widerstand, S.49: "Von einem politischen Leben der Landbewohner (...) kann
man vor dem Ausbruch der Revolution nicht reden"; die neueren landesgeschichtlichen Überblicks-
darstellungen von Herrmann und Hoppstädter, Landeskunde lu.II von I960 und 1977 gehen nicht
bzw. nur am Rande auf die Reaktionen der Untertanen ein.
101 Vgl. Fehrenbach, Unruhen, S.35-40 (zit. S.36); s.a. Ries. Fürstentum, S.55f.; ders., Die Reaktion,
S.65-68; zusammfassend Schmitt, Französische Revolution, S. 157-159.
102 Fehrenbach behauptet nur ganz allgemein, daß die bäuerlichen Proteste - ganz ähnlich wie in Frank¬
reich - "nicht zuletzt aus einer Modemisierungskrise der ländlichen Gesellschaft, aus dem Widerstand
gegen einen als zu rasch empfundenen Wandel" hervorgegangen seien (Unruhen, S.37). Zu dem
Fragekatalog vgl. auch Berding, Vorbemerkung.
103 Schmitt, Französische Revolution, S.159.
104 Vgl. dazu auch die vom Chef der Staatskanzlei des Saarlandes herausgegebene Broschüre: Das
Landesarchiv Saarbrücken; bei dem Best. 'Nassau-Saarbrücken 11' handelt es sich um das Depositum
LHA Koblenz Best.22 (in der Arbeit zit. als LA SB 22).
105 Vgl. zu diesen Beständen des Stadtarchivs Saarbrücken die kurze Beschreibung von Jung, Ackerbau,
S 16.
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