Full text: Obrigkeit und Untertanen (32)

Wir können sagen, daß der Reformabsolutismus, wie er unter nassau-usingischer 
Vormundschaft einsetzte, von Fürst Wilhelm Heinrich ausgebaut und konsolidiert 
wurde: "Der Prozeß dynastischer, politischer und auch wirtschaftlicher Erholung, 
Konsolidierung und Expansion verbindet sich", wie Winfried Dotzauer meinte, 
"nicht ganz zu Unrecht mit dem Namen Wilhelm Heinrichs"168. Es ist für unsere 
Geschichte der Stadt- und Landproteste von großer Bedeutung, daß mit Fürst Wil¬ 
helm Heinrich, dem ersten wieder im Land residierenden Fürsten, auf allen Feldern 
des Öffentlichen Lebens eine Konsolidierungsphase eingeleitet wurde. Aber auch die 
Motive der herrschaftlichen Reformpolitik spielen eine große Rolle für die Reaktion 
der Untertanen. Hier konnten wir bei nahezu jedem Reformbereich sehen, wie 
fiskalisches und aufgeklärtes Denken miteinander konkurrierten. Die Reformpolitik 
Fürst Wilhelm Heinrichs oszillierte - so läßt sich pointiert festhalten - zwischen 
fiskalischen 'Interessen' und aufgeklärten 'Ideen'. Um an unsere Ausgangsfrage 
anzuknüpfen, so können wir präzisieren, daß im Weberschen Sinne die 'Interessen', 
die Weber ja nochmals in 'materielle' und 'idelle' unterschied, auf der materiellen 
Seite in einer Erhöhung der Staatseinnahmen und auf der idellen Seite in einer politi¬ 
schen und ökonomischen Effizienzsteigerung zu sehen waren. Als stets präsentes, 
jedoch nicht immer zu greifendes 'Weltbild' stand dahinter die eine große 'Idee' der 
Aufklärung. Wenn auch - wie Bleymehl ausführte - "in keinem Fall" nachgewiesen 
werden konnte, daß die Reformen "unmittelbar aus der Refexion über weltanschauli¬ 
che Fragen der Aufklärung" hervorgegangen sind169, und man daher vorsichtig sein 
muß mit einer eilfertigen Apostrophierung170, so kann man doch in jedem Fall in 
Anlehnung an Birtsch sagen, daß Wilhelm Heinrich wenn nicht 'aufgeklärter Herr¬ 
scher', so doch Herrscher "in der Zeit der Aufklärung" war171. Wilhelm Heinrich war 
nämlich auch und vor allem absolutistischer Fürst, dem es um Demonstration von 
Macht ging. Nichts zeigt dies so deutlich wie seine außerordentlich rege Bautätigkeit, 
die "die Bedeutung von Fürst und Hof nach außen demonstrieren sollte"172. Die 
Baupolitik wiedemm verschlang eine Unmenge Summen von Geld173, so daß man 
sich wirklich fragen muß, was diese "Realisierung barocker Prachtentfaltung" noch 
mit "aufklärerischen Intentionen" zu tun hat174. Wir sehen, wie schwierig es ist, die 
Ambivalenz des aufgeklärten Reformabsolutismus begrifflich zu fassen. Wir haben 
168 Dotzauer, Wilhelm Heinrich, S.65. 
169 Vgl. Bleymehl, Aufklärung, S.83f, 
170 Diesbezüglich warnt auch Schmitt in seinem Forschungsüberblick (Saarregion, S.30f.). 
171 Vgl. Birtsch, Friedrich Wilhelm I., S.89; vgl. dazu auch Dotzauer, Wilhelm Heinrich, S.67, der davon 
spricht, daß Wilhelm Heinrich "Zeitgenosse" von Friedrich II. und Maria Theresia war. 
172 Allgem. dazu: Press, Der Typ, S. 131 f.; zur Baupolitik Fürst Wühlern Heinrichs vgl. Rollé, Sammlung 
(1793), HV Abt.A 592, S.7ff., der dies aus der Sicht von 1793 breit schildert; Sittel, Sammlung, 
S. 17f.; Schubart, Bautätigkeit; zu Stengel, dem Baumeister unter Wilhelm Heinrich und Ludwig, vgl. 
den 1995er Jahresband der ZGS (43), Stengel-Symposion 1994. 
177 Vgl. die Geldsummen im einzelnen bei Klein, Staatshaushalt, bes. S.252ff. 
174 Vgl. dazu auch Schmitt, Saarregion, S.31. 
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