Full text: Obrigkeit und Untertanen

Ansätzen auf engstem Raum das heutige Industrierevier mit etwa 600 Beschäftigten, 
die analog zur Entwicklung im Steinkohlebergbau den neuen Berufsstand der Lohn¬ 
arbeiterschaft bildeten90. Als Motiv für die zahlreichen Neugründungen von Eisen¬ 
hütten läßt sich "überall die Kapitalisierung der Wälder" ausmachen91. Michael Jung 
konnte ferner einen engen Zusammenhang zwischen dem Pachtsystem und dem 
fürstlichen Kreditbedarf feststellen und darin einen Grund für die Verpachtung statt 
der Verstaatlichung erkennen: Die "ständige Finanznot", so Jung, ließ den Fürsten 
"lieber zu den kurzfristig interessanten Krediten greifen, als die Eisenindustrie 
langfristig in staatlicher Regie auszubauen"92. Meines Erachtens wird hierbei in der 
Forschung zu wenig auf die unterschiedliche rechtliche Ausgangslage verwiesen: 
Während Bergrecht und Steinkohle zum landesherrlichen Regal gehörten, war bei 
der Eisenerzgewinnung sowie beim Erzbergbau das Prinzip der Regalität nicht 
durchgedrungen, allein die Verhüttung des Eisens - gewiß der wichtigste Bereich - 
stellte ein Regal dar93; diese unterschiedlichen Besitzverhältnisse haben dann wohl 
auch zur unterschiedlichen Entwicklung beigetragen. Gleichwie, das Pachtsystem 
wirkte sich in jedem Fall ungünstig aus: Die Pachtverträge hatten nur eine kurze 
Laufzeit, die rechtlichen Verhältnisse waren unklar, das Interesse des Pächters an 
Reinvestitionen gering, und der erwirtschaftete Gewinn wanderte in der Regel aus 
dem Land94. Wir können uns dem Fazit Collets anschließen, wenn er meint, daß die 
Eisenindustrie im 18. Jahrhundert zweifellos eine günstigere Entwicklung genommen 
hätte, wenn sie nicht in dieser Weise bewirtschaftet worden wäre: "Das Pachtsystem 
mag wohl für die fürstliche Finanzverwaltung die beste Betriebsart gewesen sein; sie 
war es sicherlich nicht für die Eisenindustrie"95. Wir sehen auch in diesem Falle, wie 
eng kameralistisches Denken und fiskalisches Interesse miteinander verwoben waren. 
Auch die Glasindustrie erfuhr im Rahmen kameralistischer Grundsätze eine starke 
Förderung durch die Landesherrschaft, die sich vor allem in der persönlichen Privile¬ 
gierung der Glasmacher niederschlug: Sie waren von der Leibeigenschaft befreit, 
genossen zahlreiche Steuerbegünstigungen und mußten keine Frondienste leisten96. 
Auch hier läßt sich unter Fürst Wilhelm Heinrich insofern eine Zäsur feststellen, als 
ganz in seinem Sinne um die Jahrhundertmitte die Brennstoff-Umstellung von Holz 
90 Jung, Wirtschaftspolitik, S.106ff.; auch hier kam es 1761 zur Gründung einer sog. Bruderlade, in die 
die Arbeiter ihre Strafgelder zu zahlen hatten (vgl. Collet, Wirtschaftsleben, S.64). 
91 Vgl. Collet, Wirtschaftsleben, S.56; hier sei nochmals erinnert an das Gutachten aus dem Jahre 1728, 
wo es anläßlich der geplanten Neugründung von Industriewerken hieß: Um das tote Kapital der 
Waldungen zu Nutz zu bringen (zit. nach ebd., S.28). 
9: Vgl. Jung, Wirtschaftspolitik, S.103-108 (zit. S.104). 
93 Vgl. zu den Besitzverhältnissen im Steinkohlenbergbau u. bei der Eisenindustrie: Collet, Wirtschafts¬ 
leben, S.43, 55 u.59. 
94 Vgl. dazu auch Schmitt, Saarregion, S.27; Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.44f. 
95 Collet, Wirtschaftsleben, S.61. 
96 Vgl. Lauer, Glasindustrie; Collet, Wirtschaftsleben, S.39-43; Jung, Wirtschaftspolitik, S.l 18-122. 
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