bislang noch nicht erfolgt sei, fragten sie bei den Junstenfakultäten allen Ernstes
nach, ob die Bürger als 'leibfreie Untertanen' überhaupt an den Huldigungseid
gebunden seien, wo die Herrschaft ihren Part doch auch nicht geleistet habe200 201. Diese
Frage, die in letzter Konsequenz auf eine Aufkündigung des Herrschaftsverhältnisses
hinauslief, erinnert in geradezu frappierender Weise an den Schwabenspiegel, eine
Rechtsaufzeichnung aus dem 13.Jahrhundert, wonach die Untertanen den herren
darumbe dienen [sollen], daz si uns beschirmen. Beschirmen si uns nit, so sind wir
inen nicht dienstes schuldig nach rechte201. Hinter diesem mittelalterlichen Rechts¬
grundsatz stand "eine vertragliche Konzeption von Herrschaft, die den Untertanen
geradezu ein Recht zuzugestehen schien, durch einseitigen Entscheid ein krisenhaf¬
tes, in seiner Funktion versagendes Herrschaftsverhältnis aufzukündigen"202. Die
städtischen Repräsentanten hatten dieses altständische Mutualitätsdenken so weit
intemalisiert, daß sie auch das daraus ableitbare Widerstandsrecht als "Ausdruck der
fehlenden Ausgewogenheit des Verhältnisses von 'Schutz und Schirm' des Herrn und
'Rat und Hilfe' des Lehnsmanns" jederzeit abrufbereit hatten203. Wie reagierten die
Juristenfakultäten auf diese 'defensive' Rechtsanfrage?
Sowohl in Straßburg als auch in Heidelberg war man sich einig, daß die beiden
Saarstädte rechtsbefugte Ursache hätten, einen erfolgversprechenden Mandatsprozeß
gegen das Forstamt bzw. gegen die Landesherrschaft bei einem Reichsgericht an¬
zustrengen204. Allerdings konnten die Juristenfakultäten die intendierte Aufkündi¬
gung des Herrschaftsverhältnisses nicht gutheißen, weil die Untertanen wegen
Schmälerung einiger Freiheiten und Privilegien gar nicht sogleich berechtigt (seien),
sich des ihrer Landes Obrigkeit schuldigen Gehorsams und darüber abgeleisteten
schweren Eid(es) zu entziehen205. Ansonsten folgten die Juristen ganz der
Argumentationsweise der städtischen Amtsträger, machten sich unkritisch den
konstruierten Zusamnenhang zwischen städtischen Privilegien und Waldgerecht¬
samen zu eigen und sahen gleichfalls die Herrschaft in der Pflicht, weil sie sich nicht
an ihr eigenes Huldigungsversprechen gehalten habe. In diesem Punkt argumentier¬
ten die Juristen von einer defensiven Position aus, hier traf sich ihr 'Frühkonservati¬
vismus' auf geradezu kongeniale Weise mit dem altständischen Denken der Unterta¬
200 Vgl. das Post Scriptum der städtischen Amtsinhaber im Anschluß an ihr Rechtshilfegesuch an die
Universität Straßburg v. Oktober 1732: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 153, unpag.; dasgl. auch an die
Universität Heidelberg: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 150, unpag.
201 Zit. nach Holenstein, Huldigung, S.362.
202 So Holenstein (ebd.) in Anlehnung an die Ausführungen von Brunner.
203 Allgem. zur europäischen Tradition des Widerstands Schulze, Einführung, S.67-72 (zit. S.70).
204 Vgl. die beiden in der Sache gleichlautenden Rechtsgutachten der Straßburger und Heidelberger
Juristenfakultäten vom Dezember 1732: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 153, unpag.; zit. aus Heidel¬
berger Gutachten.
205 So das Gutachten der Straßburger Juristenfakultät auf die drei nachgereichten Anfragen der beiden
Saarstädte vom 20.12.1732: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 153, unpag.; die Heidelberger Juristen
wichen dieser Frage aus, vgl. ebd.
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