versammeln, was ihnen unter der Bedingung gewährt wurde, keine tumultuose
Zusammenkunft derer Bürgerschaften zu veranstalten. Nach einer Weile erschienen
die Vorsteher mit einigen Bürgern erneut bei der Regierung und gaben bekannt, daß
sie hey ihren alten und vielhundertjährigen Freyheiten gehandhabt zu werden
verlangten'39. Wieder wandte die Regierung ihr Disziplinierungsmittel des Rein- und
Raustretens an mit dem Erfolg, daß bey der dritten Vortrettung sich kein Gerichts¬
mann befunden hat; außerdem zeigten einige Bürger an, daß ihnen der Stadtschreiber
in dieser Sache nicht mehr schreiben wolle, so daß sie sich einen 'kostbaren' Schrei¬
ber nehmen müßten. Überhaupt konstatierte die Regierung, daß bei den Bürger¬
schaften vielmehr eine terreur panique und Mißtrauen auf künftige Zeiten als eine
eigentliche Widersetzlichkeit gegen das publicirte Dekret seye'40. Das
Verantwortungsbewußtsein vor der Nachwelt, wenn man so will der "Traum von
Freiheit" als ein "langfristiges, erst von künftigen Generationen erreichbares Ziel"
spielte bei den Bürgern offenbar eine wichtige Rolle* 141. Als die Fürstin die ersten
Spuren einer innerstädtischen Polarisierung vernahm, schlug sie in diese Kerbe
hinein und gab sogleich den Befehl an die Saarbrücker Regierung und Landkammer
aus, eine Desunion unter den Querulanten zu erregen und die Bürger anzuhalten,
ihre Namen unter die Klagen zu setzen, damit man wisse, wer gegen und wer für die
herrschaftliche Verordnung sei142. Diese divide-et-impera Taktik der Fürstin sollte
sich jedoch als eine Fehlkalkulation erweisen143.
Als die Regierung gemäß des herrschaftlichen Dekrets vom 21.Juni die Forstordnung
zusammen mit den Stadtgerichtsleuten durchging und beschloß, das wegzulassen,
was die Städte nicht betraf, meinten die Gerichtsmänner, daß sie gegen eine solche
Verordnung nichts mehr einzuwenden hätten, weil daraus nichts anders als bey der
Stätte eigenthumblicher Nutzen erhelle; allerdings wollten sie vor der Publikation
noch die Bürgerschaften instruieren144. Drei Tage später, am 14.August 1732, ver¬
sammelten sich 10 Bürger aus Saarbrücken und 20 Bürger aus St.Johann im
179 Vgl. das Protokoll der Saarbrücker Regierung v. 8.Juli 1732: LA SB 22/2865, fol.l76f. (zit,176v.
u.l77r.).
140 Schreiben der Saarbrücker Regierung an die Usinger Fürstin, Saarbrücken 14.Juli 1732: LA SB
22/2865, fol.178 (zit. 178v.); zur Anzeige der Bürger, daß sich auch der Stadtschreiber zu weigern
beginne, vgl. auch das Saarbrücker Regierungsprotokoll vorn 8.Juli 1732: ebd., fol.l76f.
Ul Vgl. allgem. dazu Schulze, Herrschaft, hier zit. nach Gabel, Gesellschaft, S.257/Anm.68, der die
Verantwortung gegenüber der Nachwelt zum ersten Mal etwas eingehender diskutiert.
I4: Rescriptder Usinger Fürstin v.23.Juli 1732:LA SB 22/2865, fol.180.
147 Diegleiche Taktik der Herrschaft konnte Fehrenbach auch bei den Unruhen in Nassau-Saarbrücken
zur Zeit der frühen Französischen Revolution ausmachen, vgl. Fehrenbach, Unruhen, S.28-44, hier
S.43.
144 Vgl. das Saarbrücker Rathausprotokoll vom 11.August 1732 über den gehaltenen Forsttag: LA SB
22/2865, fo).182f. und StadtA SB Gemeins. Stadtger. 153, unpag.; s.dazu auch Jung, Ackerbau,
S.133f.
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