Full text: Obrigkeit und Untertanen

da kam es sogleich zu einem regelrechten Proteststurm der Landgemeinden. Am 
9.Februar überreichten die Vorsteher aus dem Köllertal, Bischmisheim, Malstatt, 
Fechingen, Güdingen, Bübingen, St. Arnual, Scheidt, Dudweiler und Völklingen im 
Namen aller Untertanen der Saarbrücker Regierung eine an die Fürstin adressierte 
gemeinsame Petition85. Vierzehn Tage später zogen die sieben, im herrschaftlichen 
Warndtwald gelegenen Orte Ludweiler, Naßweiler, Lauterbach, Karlingen, 
Wilhelmsbrunn, Großrosseln und Karlsbrunn mit einer gleichlautenden Petition 
nach86. Die Landuntertanen beschwerten sich, daß ihnen vom Oberforstmeister in 
einer besondern und gantz neuen Wald-Ordnung unterschiedliche puncta vorgehal¬ 
ten worden seien, die ihnen zur größten und unerträglichen Last gereichten und viele 
Neuerungen enthielten, deren Einhaltung sie an den äußersten Ruin bringen würde; 
dagegen verwiesen sie auf das von der Herrschaft gegebene Huldigungsversprechen, 
daß man uns bey unsern alten Gerechtigkeiten in allen Stücken schützen wol(l)te, 
und baten die Fürstin, sie von diesen neuen Oneribus zu verschonen und bei ihren 
alten Gerechtigkeiten zu belassen87. Die Bauern wiesen die neuen Forstartikel aus 
zweierlei Gründen zurück: Einmal weil diese Bestimmungen eine schwere Last für 
sie bedeuteten, die sie unweigerlich an ihren 'Ruin' bringen würde. Mit dem Verweis 
auf ihren Ruin brachten die Landuntertanen eine gesellschaftliche Konsensvor¬ 
stellung des 18..Jahrhunderts zum Ausdruck, die "auf einer in sich geschlossenen, 
traditionsbestimmten Auffassung von sozialen Normen und Verpflichtungen und von 
den angemessenen wirtschaftlichen Funktionen mehrerer Glieder innerhalb des 
Gemeinwesens" beruhte; E.P.Thompson hat diesen Konsens als die "moralische 
Ökonomie der Armen" bezeichnet: "Eine gröbliche Verletzung dieser moralischen 
Grundannahmen war ebenso häufig wie tatsächliche Not der Anlaß zu direkter 
Aktion"88. Der zweite Legitimationsgrund ihrer Beschwerde bestand für die Bauern 
in der Diskrepanz zwischen herrschaftlichem Huldigungsversprechen und faktischer 
Politik, die der zugesicherten Bestandsgarantie ihrer alten Rechte ganz offenkundig 
zuwiderlief. Hier bereits offenbarte sich das Grunddilemma, das sich aus der Zäsur 
der nassau-usingischen Herrschaftsübemahme für die künftige Gestaltung des 
Herrschaftsverhältnisses ergab: Auf der einen Seite stand eine absolutistische, ja: 
rationale Herrschaft, die zwar bei der Huldigung noch die alten Rechte und Privile¬ 
gien der Untertanen garantierte, "ihr politisches Handeln löste sich jedoch in steigen¬ 
dem Maße von der Bindung an diese Zusage und stellte damit vorerst latent die alte 
85 Vg!. die gemeinsame Petition aller Untertanen aus dem Köllertal, Bischmisheim, Malstatt, Fechingen, 
Güdingen, Bübingen, St.Amual, Scheidt, Dudweiler und Völklingen, Vorgelegen bei der Saarbrücker 
Regierung am 9.Februar 1729: LA SB 22/2309, S. 17-20. 
86 Vgl.die gemeinsame Klage einige Gemeindemitglieder aus Ludweiler, Naßweiler, Lauterbach, 
Karlingen, Wilhelmsbrunn, Großrosseln und Karlsbrunn an die Fürstin gegen die neue Forstordnung, 
Vorgelegen bei der Saarbrücker Regierung am 23.Februar 1729: LA SB 22/2309, S. 13-16. 
87 Zit. aus der gemeinsamen Petition aller Untertanen aus dem Köllertal, Bischmisheim, Malstatt, 
Fechingen, Güdingen, Bübingen, St.Amual, Scheidt, Dudweiler und Völklingen, Vorgelegen bei der 
Saarbrücker Regierung am 9.Februar 1729: LA SB 22/2309, S. 17-20. 
88 Vgl. Thompson, Moralische Ökonomie, S.67-130 (zit. S.69f.). 
111
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.