Guntram
Der dritte Sohn von Graf Hugo I., Guntram, von dem wir in der Deicolusvita
erfahren138, ist die prominenteste Persönlichkeit aus der Familie der Eberhardiner
im 10. Jahrhundert und uns besonders durch seine weiter unten zu behandelnde,
spektakuläre Absetzung im Jahre 952 durch König Otto I.139 in Diplomen von Otto
I. und seinen Nachfolgern bekannt und gut bezeugt. Die Absetzung Guntrams
erklärt auch, warum er nicht zusammen mit seinen Brüdern Eberhard und Hugo in
dem Diplom Ottos I. vom 6. April 959, das die Neubesiedlung von Lüders regelte,
erscheint140.
Die Person Guntrams hat die Forschung lange Zeit beschäftigt, und die Diskussion
scheint noch nicht beendet zu sein. Sie hat sich vor allem an der Frage entzündet, ob
der Guntram aus der Familie der Eberhardiner identisch sei mit jenem in den Acta
Murensia erwähnten Guntramnus dives, der als Stammvater der Habsburger gilt141.
Dieses hat vor allem Harold Steinacker angezweifelt, da unter anderem Guntram
nach seiner Absetzung angeblich über keinen Besitz mehr verfügte und somit nicht
mit dem Guntramnus dives gleichgesetzt werden könne, der ja Besitz an seine
Nachkommen vererbt habe142. Die These Steinackers hat bis heute oftmals
Widerspruch erfahren. Man führt insbesondere auffällige Überschneidungen bei den
Besitzungen beider Personen gleichen Namens als Argument dafür an, daß es sich
bei diesen beiden Trägem des Namens Guntram um ein und dieselbe Person
handele143. Ein gewichtiges Argument, das für die Identität beider Personen spricht,
hat Thomas Zotz in die Diskussion einbringen können, nämlich, daß der
eberhardinische Guntram auch noch nach seiner Absetzung 952 * in Folge einer
Begnadigung - über Eigenbesitz verfügen konnte144, wie zum Beispiel die
Übertragung von Besitz in Dorlisheim durch Guntram an die eberhardinische
Familienstiftung Altdorf, die erst weit nach Guntrams Absetzung im Jahre 974
138 Ex Vita S. Deicoli, MGH SS XV.2. S. 677; Zitat siehe oben Anm. 114.
139 Zu den politischen Vorgängen siehe dazu unten S. 177-183.
140 D O I 199, S. 279; siehe dazu vor allem unten S. 184-187.
141 Das Kloster Muri im Kanton Argau, ed. M. KlEM, Basel 1883, S. 16 f.: ... qui
rogaverunt Kanzelinum, comitem de Altenburg, filium Guntramni divitis. Vgl. K.
Schmid, Aspekte der Zähringerforschung, in: ZGO 131 (NF 92), S. 240 u. 244.
142 H. Sthnacker, Zur Herkunft und ältesten Geschichte des Hauses Habsburg, in: ZGO 58
(NF 19), S. 232-236, der hier auch die Zugehörigkeit des von Otto 1. abgesetzten Grafen
Guntram mit dem in der Vita S. Deicoli genannten in Frage stellt; vgl. E^rs., Regesta
Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus
dem Hause Habsburg, 1. Abt.: Die Regesten der Grafen von Habsburg bis 1281,
Innsbruck 1905, Nr. 1, S. 1.
143 W. Gisi, Guntramnus comes, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte, 26. Bd., Ndr.
d. Ausg. v. 1886, Osnabrück 1968, S. 287-297; E. KRÜGER, Herkunft, S. 499-555.
Kritisch dazu A. SCHULTE, Zur Herkunft der Habsburger, in: MIÖG 10, Innsbruck 1889,
S. 208-216.
144 Vgl. Th. Zotz, König Otto I., Graf Guntram und Breisach, in: ZGO 137 (NF 98), 1989,
S. 72-77; vgl. schon E. Krüger, Herkunft, S. 516, der allerdings davon ausging, daß
lediglich Guntrams Lehen konfisziert worden waren, jedoch nicht sein Eigengut; zur
Gleichsetzung jenes in der Dorsualnotiz der Bulle Leos IX. genannten Guntram mit dem
dritten Sohn Hugos I. siehe HLAwrrscHKA, Anfänge, S. 114.
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