Der Kreis der Anwärter auf die Erbschaft
Nach dem Tod Gertruds von Dagsburg meldete ein großer Kreis von Personen
Ansprüche auf die reiche Erbschaft an1272. In erster Linie sind hier die leiblichen
Verwandten Gertruds zu nennen. So traten als nächste Verwandte vor allem die
beiden Markgrafen von Baden, Hermann und Heinrich, auf den Plan und meldeten
Ansprüche auf fast die gesamte Erbmasse an, ebenso Herzog Heinrich von Brabant
und die Grafen von Pfirt. Auch der dritte Gemahl der verstorbenen Gräfin, Simon
von Leiningen, machte sich berechtigte Hoffnungen, das Erbe anzutreten. Schlie߬
lich wollten noch die beiden Staufer, Kaiser Friedrich II. und sein Sohn, König
Heinrich (VII ), ebenfalls mit der verstorbenen Erblasserin verwandt, an deren Erbe
partizipieren sowie Herzog Walram von Limburg1273 und Herzog Matthäus II. von
Oberlothringen. Von den geistlichen Würdenträgern sind die Bischöfe von Lüttich,
von Metz und von Straßburg zu nennen, in deren Diözesen der Hauptanteil der
Erbmasse lag und die auch Lehensherren verschiedener dagsburgischer Güter
waren1274. Auffallend ist, daß wir keine Nachricht von Interventionen anderer
Verwandter der Dagsburger Grafen - zu denken ist hier an die Grafen von
Hochstaden oder die Grafen von Saarw erden - haben.
Die Auseinandersetzungen in Niederlothringen
In Niederlothringen standen lediglich die ehemaligen dagsburgisehen Allode Moha
und Waleffe zur Disposition. Die beiden Politiker, die schon seit über zwanzig
Jahren ein Tauziehen um den Besitz von Moha und Waleffe veranstaltet hatten,
1272 vg| auch die Zusammenstellung des Erbansprüche stellenden Personenkreises bei
Toussaint, Grafen, S. 120 ff.
1273 Gesta episcoporum Mettensium, continuatio altera, MGH SS X, S. 547 f.: Sed cum
eadern comilissa sine berede proprii corporis occulto quidem Dei iudicio decessisset,
dominus Walterus dux de Le/nborc, comes Lucelburgensis, et mulli alii nobiles et
potentiores de imperio, consanguinei eius et Jautores, castra que eranl de feodo
prediclo cum eorum pertinentiis nequiter sasierunt, ea sue ditioni usurpare et retinere
in perpetuum contra debitum conditionis predicte molientes. Möglicherweise handelt
es sich um ein Versehen des Chronisten, da Walram von Limburg im Verlauf des
Dagsburger Streites nicht mehr in Erscheinung trat.
1274 Ein Problem bilden die sogenannten Straßburger Kirchenlehen der Dagsburger. Sie
werden nirgends in den Verträgen zwischen den Kontrahenten erwähnt. Daß die
Dagsburger von der Straßburger Kirche aber Lehen hatten, geht eindeutig aus einer
Urkunde König Philipps von Schwaben aus dem Jahre 1204 hervor, in der er Herzog
Heinrich von Brabant verspricht, ihm im Falle des kinderlosen Todes von Graf Albert
von Dagsburg bei der Erwerbung von dessen Straßburger Kirchenlehen zu unterstützen
(siehe dazu oben, S. 315 mit Anm. 987). Allerdings werden diese Lehen nicht näher
bezeichnet, so daß wir sie nicht konkret fassen können. Sie scheinen auch im Verlauf
der Auseinandersetzungen um das Erbe der Dagsburger keine Rolle gespielt zu haben.
A. W. Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses, von der frühesten bis auf die
gegenwärtige Zeit, 1. Bd., Straßburg 1841, S. 489, hatte die Ansicht geäußert, daß das
Breuschtal mit den dazugehörigen Burgen, Klöstern und Orten ein Lehen vom
Straßburger Bischof gewesen und beim Tode Gertruds von Berthold von Teck
eingezogen worden sei. Diese Ansicht wurde aber bereits widerlegt von J Fritz,
Territorium, S. 39, Anm. 1.
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