Was könnten die Motive für diese Eheverbindung der beiden Häuser gewesen sein?
Für das Dagsburger Haus war die Einheirat in das oberlothringische Herzogshaus
einerseits mit einem Prestigegewinn verbunden und andererseits bedeutete sie den
Aufsüeg der Nachkommen dieser Familie in den Reichsfürstenstand. Denkt man
dabei an den Brief Alberts II. an Papst Innozenz III., in dem er ausdrücklich darauf
hinwies, er habe zu den Wählern Ottos IV. gehört1004, so spielt dieser Aspekt bei
dem dagsburgisch-oberlothringisehen Heiratsabkommen eine sicherlich nicht unwe¬
sentliche Rolle.
Für den oberlothringischen Herzog bedeutete die Verbindung mit den Dagsburgem
auch eine Arrondierung des eigenen Herrschaftsgebietes. Die immensen Besit¬
zungen der Dagsburger brachten einen beträchtlichen Machtzuwachs mit sich. Sie
reichten zur Zeit von Albert II. vom südlichen Elsaß mit dem Erbanteil an den drei
Egisheimer Burgen über die Burgen Bernstein, Girbaden, Herrenstein, Türkstein
und Dagsburg mit den dazugehörigen Herrschaften, den Befestigungen und
Herrschaften in Saaralben und Sarrebourg bis zur Burg und Herrschaft Moha in der
Gegend um Lüttich. Ebenfalls gehörten die Vogteien über den Colmarer Oberhof,
über die Abteien Heiligkreuz bei Woffenheim, Altdorf, Herbitzheim, Hesse und der
Prämonstratenser in Salival, die Schutzvogtei über die Zisterzienserklöster Pairis,
Baumgarten und Haute-Seille dazu. Des weiteren kommen noch Besitzungen auf
linksrheinischem Gebiet nahe bei Kirchheim-Bolanden hinzu1005. Der Herzog hatte
durch den Erhalt der dagsburgischen Besitzmasse auch sämtliche Voge¬
senübergänge in seiner Hand1006. Außerdem waren die Dagsburger Grafen auch
Grafen von Metz, und somit war ein Übergang dieser Grafschaft an das
oberlothringische Haus greifbar geworden. Als konkreter politischer Hintergrund
für die Motivation Herzog Friedrichs zu diesem Ehebündnis zeigt sich dessen
Konflikt mit seinem Schwiegervater, Graf Theobald von Bar. Es verhält sich wohl
so, wie Walter Mohr meint, daß Herzog Friedrich einen mächtigen Verbündeten
gegen Theobald von Bar suchte1007 und ihn in Albert II. von Dagsburg zu finden
glaubte. Allerdings konnte der Herzog aus dem Ehebündnis keine Vorteile
gegenüber dem Grafen von Bar ziehen, wie die weitere poliüsche und militärische
Entwicklung des Konfliktes zeigte, denn Friedrich, der zudem noch die Unter-
Alberlus de Dasbor dictum castrum Tyecort quamdiu vixerit tenebil et post eius
decessum dictum castrum Tyecort filio meo et uxori eius filie comitis Alberti absque
contradictione redibit.
1004 RNI, Nr. 8, S. 20 f.; siehe dazu oben, S. 303 mit Anm. 914.
loos Zu (jen einzelnen hier genannten Besitzungen u. Orten siehe unten die jeweiligen
Artikel im besitzgeschichtlichen Teil.
1006 Herrmann, Territoriale Verbindungen, S. 143.
1007 Mohr, Lothringen, 3. Bd., S. 44; Parisse, La noblesse lorraine, 1. Bd., S. 397, ebenso
Ders., Noblesse et chevalerie, S. 222, u Ders., Thiébaut, comte de Bar et de
Luxembourg, in: Ermesinde et l'affranchissement de la ville de Luxembourg, S. 172 ff.,
glaubt, daß das oberlothringisch-dagsburgische Eheprojekt der Anlaß zu den
Feindseligkeiten zwischen Herzog Friedrich und seinem Schwiegervater Theobald von
Bar war.
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