Über den unmittelbaren Anlaß zu jenem Überfall schweigen die Quellen. Die
Behauptung, Walther von Horburg hätte sich wie ein Raubritter gebärdet, wie es
Philipp André Grandidier634 und im Anschluß daran Ute Schwab vermuten635, läßt
die politische Dimension dieses Konfliktes völlig außer acht und geht am
Sachverhalt vorbei. Möglicherweise war Horburg den macht- und wirtschafts¬
politischen Absichten des Dagsburger Grafen im Wege. Das wirtschaftlich
aufstrebende Colmar636 stand zu diesem Zeitpunkt ganz unter dem Einfluß des
Grafen von Dagsburg, in dessen Besitz sich die Vogteien über den Konstanzer
Niederhof und den zu dem in der heutigen Schweiz gelegenen Kloster Peterlingen
gehörenden Oberhof mit dem dazugehörigen Priorat St. Peter in diesem Ort
nachweisen lassen637. Durch den Besitz dieser beiden wichtigen Vogteien hatte der
Dagsburger in Colmar eine beherrschende Stellung inne. Vielleicht verfügte Hugo
VIII. darüber hinaus in diesem Ort noch über alten egisheimischen Allodial-
besitz638. In wirtschaftlicher Hinsicht war Horburg gegenüber dem benachbarten
Colmar schon während des frühen Mittelalters ins Hintertreffen geraten. Es war zu
einem mehr oder w eniger bedeutungslosen Ort herabgesunken639, allerdings zeigen
sich im 12. Jahrhundert noch Spuren einer einstmaligen Abhängigkeit Colmars von
Horburg und zwar in Form von Pfarrechten, welche der Pfarrer von Horburg über
die St. Peterskirche in Colmar bis nach der Mitte des 12. Jahrhunderts besaß640. Die
Peterskirche ist den Peterlinger Besitzungen in Colmar zuzurechnen, wie wir aus
den gefälschten Privilegien der Päpste Calixt II. von 1123 und Eugen III. von 1148
entnehmen können641. Hier werden auch die Zehntrechte des Leutpriesters von
Horburg angesprochen, der demnach noch die Seelsorgerechte über die Colmarer
Besitzungen des Klosters Peterlingen hatte642. Vielleicht können wir in diesen
traggeber der höfischen Literatur in Deutschland 1150-1300, München 1979, S. 104 u.
346, Anm. 213.
634 Grandidier, Œuvres, 2. Bd., S. 429 f.: „Hugues, comte de Dabo, revint aussi en Alsace
avec l'évêque Burchard. Sa présence y devenait nécessaire, parce que Walther de
Horbourg ravageait des terres“.
635 Schwab, Datierung, S. 123.
636 Zu der Bedeutung Colmars siehe A. Hund, Colmar vor und während seiner Ent¬
wickelung zur Reichsstadt, Straßburg 1899, S. 64 ff.; A. SCHERLEN, Colmar. Dorf
und Stadt. Vorgeschichte und Geschichte nebst Anhang, Colmar 1931, S. 9-12; H. Fein,
Die staufischen Städtegründungen im Elsaß, Frankfurt am Main 1939, S. 22-27, bes. S.
23 f.; die Angaben von Maier, Stadt und Reichsfreiheit, S. 46-54, sind sehr fehlerhaft
und mit äußerster Vorsicht zu benützen.
637 Zu den Vogteirechten der Dagsburger Uber den Konstanzer Niederhof in Colmar siehe
unten im Kap. 'Besitzungen' den Art. 'Colmar'; zu den Konstanzer Besitzungen in
Colmar vgl. auch E. Waldner, Rechte und Güter der Dompropstei von Konstanz in
Colmar und Umgegend, in: ZG0 48 (NF 9), 1894, S. 261-273.
638 Siehe dazu im Kap. 'Besitzungen' den Art. 'Colmar'.
639 Siehe auch Waldner, Castrum Argentariense, S. 447.
640 Siehe auch ebda., S. 444-447.
641 Zu den Peterlinger Urkundenfälschungen siehe auch H. E. Mayer, Die Peterlinger
Urkundenfälschungen und die Anfänge von Kloster und Stadt Peterlingen, in: DA 19,
1963, S. 30-129; Ders., Les Faux des moines de Payerne, in: L'Abbatiale de Payerne,
Lausanne 1966, S. 21-39.
642 Privileg Calixts II., abgedruckt in Fontes rerum Bernensium, 1. Bd., Bern 1883, Nr. 157,
S. 382 ff.: Et quum popularis presbiter de Orburt de omnibus antiquis domnicaturis
262