II. TEIL
POLITISCHE GESCHICHTE DER GRAFEN VON DAGSBURG-
EGISHEIM
1. Einleitung
Die ersten Zeugnisse über das politische Wirken der Grafen aus dem Geschlecht der
Eberhardiner erhalten wir, wie im genealogischen Teil bereits ausführlich darge¬
stellt wurde, aus der Vita S. Deicoli, welche, neben vereinzelten Erwähnungen der
Grafen in zeitgenössischen Urkunden und trotz aller Vorbehalte gegenüber der
hagiographischen Grundstruktur der Vita, eine der wichtigsten Quellen zur Frühge¬
schichte dieser Familie darstellt.
In dem von der Vita S. Deicoli erzählten Geschehen wird schon für die Anfänge der
Familiengeschichte einer der Brennpunkte deutlich, der durch die Jahrhunderte die
Politik der Repräsentanten dieser Familie immer wieder bestimmte und leitete:
nämlich die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Königsdynastien im Reich um
die politische Vorherrschaft in den traditionellen Kemgebieten der Grafenfamilie.
Im 10. Jahrhundert, unter der Herrschaft der Ottonen, war es zuerst Burgund, um
das sich der Konflikt entzündete. Daraufhin erfolgte, noch unter Otto I., eine Ver¬
lagerung des Konfliktschwerpunktes ins Elsaß und in den rechtsrheinischen
Breisgau. Obgleich sich auch in anderen Gebieten, in denen die Familie über
ausgedehnte Besitzungen verfügte, so in Ober- und Niederlothringen, Reibungs¬
punkte mit den jeweiligen Königen ergaben, blieb doch das Elsaß, was sich im
Laufe der vorliegenden Untersuchung zeigen wird, von der Zeit der Salier an bis zu
den Kämpfen zwischen dem Stauferkönig Philipp von Schwaben und dem letzten
männlichen Vertreter des Grafengeschlechts, Albert II. von Dagsburg, der
Kristallisationspunkt der Auseinandersetzungen dieser Hochadelsfamilie mit den
deutschen Königen. In engem Zusammenhang damit stehen auch die Konflikte der
Grafen mit den Herzogen von Schwaben und, zumindest partiell, mit dem Bischof
von Straßburg, welche ebenfalls von Zeit zu Zeit aufbrachen.
2. Erstes Auftreten der Eberhardiner in spätkarolingischer Zeit
Eberhard I. und Arnulf von Kärnten
Das Hervortreten der Familie der Eberhardiner ins Licht der Quellen geschieht in
der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, in einer Zeit des politischen Umbruchs. Das
fränkische Großreich befand sich schon seit dem Tode Ludwigs des Frommen in
einem Prozeß der Auflösung1. Die Kämpfe um die Aufteilung des einstigen Reichs
von Karl dem Großen unter dessen Nachkommen, auf die hier nicht näher
1 Eine knappe Zusammenfassung der Ursachen bietet R. SCHNEIDER, Das Frankenreich,
München, Wien 1982, S. 38 f.
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