Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

Stärkung der deutschen Verantwortlichkeit ein. Er hielt es unter Aspekten der Si¬ 
cherheitspolitik für sinnvoll, Deutschland sozial umzugestalten und damit Militärkaste 
und Industriebourgeoisie als gesellschaftliche Träger eines alldeutschen Imperialismus 
auszuschalten, während Koenig geopolitisch dachte.300 
Und gerade in diesem Kontext muß an die ganz anderen politischen Rahmenbedingun¬ 
gen erinnert werden. Bei der Selbstverwaltung der Sozialversicherung im Saarland 
ging es nämlich nicht um die Frage der Sicherheit Frankreichs vor Deutschland, zu 
erreichen durch eine Demokratisierung der Gesellschaft und Zurückdrängung be¬ 
stimmter Gesellschaftsgruppen, sondern darum, ob Frankreich angesichts der ange¬ 
strebten Wirtschaftsunion das Risiko eingehen konnte, die Sozialversicherung ganz in 
saarländische Hände zu legen und sich aus den Verwaltungsorganen der LVA zurück¬ 
zuziehen. 
Für die französische Seite war die Sozialversicherungsreform vom Juni 1947 ein erster 
Schritt im Rahmen einer notwendigen sozialpolitischen Anpassung des Saarlandes an 
Frankreich im Zeichen der Wirtschaftsunion. Robert Paris bezeichnete sein Konzept 
zur Sécurité Sociale im Saarland als einen "vorläufigen Pan", Alphonse Rieth sprach 
von einem "Provisorium". Dies verdeutlicht das französische Ziel einer weiter gehenden 
Anpassung. Während der Reformberatungen war aber deutlich geworden, daß sich wie 
in der französischen Besatzungszone auch im Saarland Reformvorstellungen der 
saarländischen Seite, insbesondere von Sozialdemokratie und Gewerkschaften, mit 
Neuordnungsansätzen der Militärregierung verzahnten. Dies bezog sich zum Beispiel 
auf die Ausdehnung der Sozialversicherungspflicht sowie die Auflösung der Betriebs-, 
Innungs- und Ersatzkassen mit der Egalisierung von Beiträgen und Leistungen. Es 
handelte sich dabei um wichtige Elemente der französischen Sozialversicherungs¬ 
reform von 1945, die aber andererseits schon seit Jahrzehnten zum Repertoire sozial¬ 
politischer Forderungen der Arbeiterbewegung gehörten. Kontroversen zwischen der 
französischen Militärregierung und der saarländischen Seite entstanden aber dann, 
wenn wichtige Elemente der deutschen Sozialversicherung aufgegeben werden sollten. 
Für die saarländische Seite scheint die Entwicklung im ehemaligen deutschen Reichs¬ 
gebiet gerade unmittelbar nach dem Zusammenbruch ein entscheidender Orientie¬ 
rungspunkt gewesen zu sein. Dies zeigt der Bericht des Beirates der Saarknappschaft 
vom 22. Oktober 1945. Vorbild für die Saarknappschaft in Fragen der Leistungskür¬ 
zungen war die Ruhrknappschaft:"(...) wobei eine Anlehnung an die Leistungen 
anderer Bezirksknappschaften, insbesondere der im größten deutschen Bergbaugebiet 
gelegenen Ruhrknappschaft erstrebenswert sei (...)".30! Auch eine Denkschrift der 
300 
Alain L att ar d, Zielkonflikte französischer Besatzungspolitik, in: VfZ 39/1991, S.l-35, insbesondere 
S.10, 13. Zur Biographie: S.6-8. Ders., Gewerkschaften und Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz unter 
französischer Besatzung 1945-1949, Mainz 1988, S.29-35. Vgl. auch W o 1 f r u ra, Französische 
Besatzungspolitik, S.33-36. 
301 LA SB, MifAS, Bü.8, Niederschrift über die Sitzung des Beirates vom 22.10.45. 
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