nis zu Laffon gehabt haben soll, die Selbstverwaltungsfrage unter ganz anderen Ge¬
sichtspunkten sah. Ob für Grandval ein Demokratisierungsmotiv bestimmend war,
kann aus den Akten nicht beantwortet werden, wohl aber für Laffon. Grandval sah
möglicherweise in Sozialwahlen einen Katalysator für die unerwünschte Politisierung
der Gewerkschaften. Eine Wiedereinführung der Selbstverwaltung hätte nicht auf die
LVA begrenzt werden können, sondern hätte auch Anwendung auf die Saarknapp¬
schaft finden müssen. Daß gerade dies zu einer Politisierung und entsprechenden
Konfrontationen mit der Régie geführt hätte, lag auf der Hand, da die Regie bereits
1947 bei den Verfassungsberatungen vor entsprechenden Schritten warnte.
Für Grandval war die Politisierung der Gewerkschaften gerade auch im Jahr 1947 ein
sensibles Problem, das für seine ablehnende Haltung in der Frage, ob christliche
Gewerkschaften zugelassen werden sollten, besümmend war.297
Damit erhärtet sich der Befund, daß die Selbstverwaltung in der französischen Zone in
entscheidendem Maße auf Willen und Initiative von Emile Laffon zurückgeht und
nicht auf Pierre-Marie Koenig. Die Politik Laffons in Sachen Selbstverwaltung sollte
allerdings nicht dazu verleiten, ihn aus deutscher Perspektive als verständigungs¬
freudigen Sozialisten zu heroisieren und die französische Besatzungspolitik in eine
Rekonstruktions- und Neuordnungspolitik, die von Laffon getragen, und in eine
Ausbeutungspolitik, die von Koenig forciert worden sei, aufzuteilen, wie dies Edgar
Wolfrum suggeriert.298 Laffon scheint nämlich in Wirtschaftsfragen einen im Vergleich
zu Koenig noch härteren Kurs befürwortet zu haben.299 Das Verhältnis zwischen dem
als ehrgeizig geltenden ehemaligen Anwalt Laffon als Chef der zivilen Verwaltung und
dem neun Jahre älteren Berufsoffizier Koenig als Oberkommandierendem, der einen
Beraterbestab von mehreren hundert Offizieren um sich scharte, war nicht frei von
Spannungen. Die Ursache dafür lag in der entstandenen doppelten Exekutivspitze und
darin, daß beide im Umgang miteinander Schwierigkeiten hatten. Der politische
Unterschied zwischen dem Sozialisten Laffon und dem Gaullisten Koenig relativiert
sich aber vor dem Hintergrund deutlicher Übereinstimmungen Laffons mit de Gaulles
Positionen zur Deutschland- und Besatzungsfrage. Als Folge der Schwierigkeiten
zwischen Laffon und Koenig stellt Alain Lattard Zielkonflikte in der französischen
Besatzungspolitik fest. Laffon trat für eine indirekte französische Verwaltung mit
297 Siehe Kap. V./4
298 Wolfrum, Französische Besatzungspolitik, S.331 und 334. So resümiert Wolfrum: "Während das
zivile, von Laffon geleitete Gouvernement Militaire auf sozialreformerische Weichenstellungen pochte und
eine Rekonstruktions- und Neuordnungspolitik verfocht, forderten die Militärs weiterhin das, was de Gaulle
(...) im Oktober 1945 angekündigt hatte:' Unsere Absicht ist, das wieder aus Deutschland herauszuholen,
was uns von den Deutschen genommen worden ist Siehe die Rezension von Rainer M ö h 1 e r, in:
Rheinische Vierteljahresblätter 57/1993, S.557 f.
So der Diskussionsbeitrag von Rainer H u d em a n n, in: Ders. und Raymond Poidevin (Hrsg.), Die
Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte, München 1992, S.32.
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