Dafür spricht z.B., daß Arbeiter zwar einen relativ hohen Anteil der Gründungsmit¬
glieder der CDU-Saar stellten, mit der Legalisierung der Partei der Arbeitnehmeranteil
aber rasant zurückging.348 Auch christliche Gewerkschaftler wie Franz Ruffing gehör¬
ten zu den Gründungsmitgliedern. Er hatte 1952 eine gegen die Saarregierung ge¬
richtete Propagandaschrift von 166 Seiten mit dem Titel "Wahlmanöver an der Saar" in
der Schriftenreihe des Deutschen Saarbundes unter dem Pseudonym Herbert Beck¬
mann veröffentlicht.349 Ganz klar wird der Zusammenhang in einem Flugblatt der
sogenannten und nicht näher bezeichneten "christlichen Gewerkschaftsopposition", in
dem der Aufbau der pro-deutschen CDU als ’'primärpolitische Tätigkeit" und als "eine
notwendige Vorleistung, für eine wirkliche positive Gewerkschaftsarbeit" bezeichnet
wird.350 Die christliche Gewerkschaftsopposition rief dazu auf, gegen den "separatisti¬
schen Kurs" der Gewerkschaftsführung durch Austritt aus der Gewerkschaft oder
Eintritt in die CDU anzukämpfen.351 Das heißt, im Gegensatz zur Sozialdemokratie,
fand im christlichen Lager keine koordinierte Partei- und Gewerkschaftsarbeit statt.
7.2 Gegensätzliche Oppositionsstrategien
Zwei Generationen - zwei Konzepte
Das Entstehen der gewerkschaftlichen Opposition im christlichen Lager scheint auf die
Verbindung von zwei verschiedenen Generationen zurückzuführen sein. Zum einen die
Gruppe um Karl Hillenbrand und Bartholomäus Koßmann, die wie Hillenbrand 1935
mit ihrem Engagement in der Deutschen Front zur Rückgliederung des Saarlandes an
NS-Deutschland beigetragen hatten und nach 1945 sich mit einer von Deutschland
abgetrennten Saar auf Grund ihrer nationalen Bindung nicht identifizieren konnten. Die
Gruppe der im "Dritten Reich" politisch belasteten christlichen Gewerkschaftler bildet
eine Säule der gewerkschaftlichen Opposition im christlichen Lager.
Daneben steht eine Gruppe junger christlicher Gewerkschaftler der Jahrgänge
1920-1928, die möglicherweise aus ihrer Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und der
frühen Nachkriegszeit sich nicht mit der Politik Johannes Hoffmanns identifizieren
konnten. Gerade für diese jüngere Gruppe gilt aber, daß sie im Gegensatz zu der
Gruppe um Hillenbrand sich ganz bewußt als christliche Gewerkschaftler in einer
eigenständigen Organisation verstanden. Zu ihr gehörten christliche Gewerkschaftler
aus allen Bereichen: Peter Gier, Sozialreferent der Gewerkschaft Christlicher Saar¬
348
Ebd., S.163,169. Danach waren 164 von 244 Gründungsmitgliedern Arbeitnehmer, 20 Akademiker, 18
Kaufleute, 17 Lehrer, 11 Handwerker, 3 Geistliche und 2 Hausfrauen. Siehe außerdem: Gerhard Bauer,
Vom Zentrum zur CDU. Hundert Jahre christliche Politik an der Saar, Saarbrücken 1981, S.105. 1952
betrug der Arbeitnehmeranteil bei den Gründungsmitgliedern 67 Prozent, 1963 nur noch 24,3 und 1979 nur
noch 18 Prozent.
349 S c h n e i d e r, Das Wunder, S.262, 318, 372.
350 LA SB, Sammlung (SL) Handfest, B 30, Flugblatt "christliche Gewerkschaftsopposition", o. Datum.
351 BA KO, B 137, Nr.3478, Bl.19, Notiz.
416