Strohms Anknüpfen an den Bergarbeiterstreik von 1923 verdeutlicht sein Konzept, die
Saarfrage "national" zu lösen. Der Streik von 1923 hatte unterschiedliche Partei- und
Klassenstandpunkte verdeckt und durch Ausgrenzungsmuster -wie hier Deutschland
und dort Frankreich- die Fronten verhärtet und nationalisiert. Die politische Bedeutung
des Streiks zeigte sich nicht zuletzt auch in der Solidarisierung der Gesamtbevölkerung
mit den Streikenden.146 Die Befürchtungen der Mission Diplomatique, es könne eine
ähnliche Entwicklung eintreten wie damals, waren also nicht ganz unbegründet, nicht
zuletzt vor dem Hintergrund der Strategen des gesamtdeutschen Ministeriums in
Bonn.147
Bonn plant soziales Profil für die DPS
Strohms "Schlachtplan" führte zunächst dazu, über Heinrich Schneider und Karl
Hillenbrand, der von der CVP zur DPS gewechselt war, die DPS zu veranlassen, sich
neuen Wählerschichten, und dabei insbesondere auch Arbeitern, zu öffnen. Diese
Richtung wurde innerhalb der DPS dann auch von Heinrich Schneider forciert. Er gab
als Maxime aus, vor allem oppositionell gesinnte Sozialdemokraten aus der SPS zu
gewinnen, wobei dies mit Verlusten im bürgerlichen Lager zu vereinbaren sei.148 Hier
deutet sich an, daß die bisherige Einschätzung in der Forschung, die DPS habe mit
ihrem sozialeren Profil vor allem auf die CVP gezielt, in dieser Zuspitzung nicht mehr
aufrecht erhalten werden kann.149 Die DPS bemühte sich auch um die oppositionellen
Sozialdemokraten. Sie scheint versucht zu haben, das gesamte nationale bzw. pro¬
deutsche Potential für sich zu mobilisieren und als Sammelbecken aufzufangen, denn
vor dem Hintergrund der Sozialstruktur des Landes war eine stärkere Arbeitnehmer-
Orientierung für einen politischen Erfolg unumgänglich.
Die DPS war bisher aber als Mittelstandspartei aufgetreten, die vor allem auch um die
politische Gunst des Handwerks und der Selbständigen geworben hatte.150 Die neue
Strategie, politisch relevante Gruppen im katholisch dominierten Saarland wie Hütten¬
arbeiter und Bergleute anzusprechen, zeigte sich im Frühjahr 1951 anläßlich der
Verabschiedung des neuen Sozialprogramms, in dem die DPS die Versöhnung von
Unternehmern und Arbeiterschaft anstrebte. Die Parole "christlich, sozial, deutsch"
versuchte daneben der starken Verankerung der katholischen Konfession Rechnung zu
tragen und den Bischof von Trier zu gewinnen. Dies wurde auch von Grandval be¬
Joachim Heinz, Arbeiter und Arbeiterbewegung an der Saar 1933-1935, Magisterarbeit Universität
Saarbrücken 1988, S.219, 225.
147 MAE Paris, EU-Europe, Sous S. Sarre, Doss.109, B1.62, Cons. Econ. an MAE vom 7.4.52.
148 MAE Nantes, HCS, Cab.Polit., Doss.64, Bl.253, Vermerk vom 1.2.51 zu einem Süretebericht.
149
Frank Dingel, Die Demokratische Partei Saar, in: Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch. Die
Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Bd.l, Opladen 1983, S.772.
150 B e c k e r, Die politischen Parteien, S.274.
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