Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

Bergbau am 14. Juni 1952 zum Ersten Vorsitzenden des Verbandes gewählt worden 
war und mit Robert Bach als Stellvertreter und Aloys Schmitt Gegner der Saarautono¬ 
mie die Führungsgremien des wichtigsten Industrieverbandes besetzten.142 Im Gegen¬ 
satz zu seinem Vorgänger, der bei Adenauer angeeckt war, hielt er sich aber deutlich 
zurück und folgte den Anweisungen seines Chefs.143 
Anknüpfen an ein Massenerlebnis - der Bergarbeiterstreik von 1923 
Wie schon erwähnt basierte Strohms Einschätzung von der entscheidenden Rolle der 
Bergleute auf seinen Erfahrungen aus der Völkerbunds Verwaltung des Saargebietes. 
Mit der Parole "Deutschlands Trauer ist unsere Trauer" hatten alle politischen Parteien 
des Saargebietes für den 15. Januar 1923 zum Generalstreik gegen die Ruhrbesetzung 
aufgerufen. Daraus war ein Hunderttagestreik mit hunderten von Versammlungen und 
Protestkundgebungen geworden, an denen sich mehr als 70.000 Menschen beteiligten. 
Die Tarifauseinandersetzung war sekundär, sie wurde lautstark nach außen gestellt, um 
nicht den Eindruck eines politischen Streikes offenkundig zu machen. Nach 
Klaus-Michael Mallmann und Horst Steffens war der Streik von 1923 eine "nationale 
Kraftprobe, bemäntelt als Lohnkampf", bei dem sich die nationale und soziale Frage 
miteinander verzahnten. Das erklärt auch nach Gerhard Paul die lange Streikdauer. In 
der Wirklichkeitserfahrung der Zeitgenossen war der Streik von 1923, wie Mallmann 
und Steffens betonen, ein prägendes Massenerlebnis, oder wie Ludwig Linsmayer 
formuliert, ein "Schlüsselerlebnis in der Biografie wohl jedes einzelnen Bergmanns". 
In Kreisen des Verbandes deutscher Bergarbeiter (BAV) wurde im Mai 1933 in Er¬ 
innerung an den Streik pathetisch davon gesprochen, daß 1923 die französische Politik 
ihre "Marneschlacht" erlebt habe.144 Die von Linsmayer durchgeführte Analyse des 
Bergarbeiterstreiks unter der Fragestellung der politischen Kultur zeigt eindrucksvoll 
die tiefgreifende Erfahrung bzw. "politisch-kulturelle Prägekraft" dieses Ereignisses. 
Der Streik wurde zur "Chiffre" für einen politischen Selbstbehauptungswillen der 
Saarländer gegenüber Frankreich. Die von den Gewerkschaften ausgegebene Losung 
"Sein oder Nichtsein" entsprach letztlich einer Übertragung eines Modells der Kriegs¬ 
bewältigung auf einen Tarifkonflikt und damit wurde der Streik auch zu einem "poten¬ 
zierten Fahnenstreit".145 
142 MAE Paris, EU-Europe, Sous S. Sarre, Doss.109, Bl.73, Telegramm Grandval an MAE vom 14.6.52. 
143 Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955, Saarbrücken 1984, S.254. Siehe auch: 
Schneider, Das Wunder, S.342. Thierfelders Schwiegervater war übrigens das DPS-Mitglied Kurt 
Buck. 
144 Linsmayer, Politische Kultur, S.222. M a 11 m a n n und Steffens, Lohn der Mühen, S.164. 
Gerhard Paul, "Deutsche Mutter - heim zu Dir!" Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der 
Saarkampf 1933-1935, Köln 1984, S.25, 49-54. 
145 L i n s m a y e r, Politische Kultur, S.216-222, 285. 
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