Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

chen -wie z.B. der christliche Gewerkschaftler Jakob Kaiser, Theodor Leipart und 
Wilhelm Leuschner von den Freien Gewerkschaften und auch Vertreter der 
Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften.22 Die Idee der Einheitsgewerkschaft ist somit 
auch Ergebnis einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.23 
Während die amerikanische Besatzungsmacht die Vorbereitungen zur Gründung von 
Gewerkschaften an der Saar gefördert hatte, verhielt sich die seit 10. Juli 1945 im 
Saarland herrschende französische Militärregierung restriktiver. In der französischen 
Besatzungszone löste die Militärregierung vor dem Hintergrund ihrer Demokratie¬ 
konzeption die in amerikanischer Zeit aufgebauten Organisationen zwar de iure, nicht 
aber de facto auf. Ab Dezember ließ sie dann Gewerkschaften wieder offiziell zu, ab 
Februar 1946 wuchs die Zahl der Ortsausschüsse an, und ab April wurde dann die 
Bildung zahlreicher Industrieverbände auf Landesebene gestattet.24 Die französische 
Militärregierung im Saarland löste aber die Einheitsgewerkschaft weder de iure noch 
de facto auf. Sie begrüßte ihr Organisationsprinzip ausdrücklich. In einer Untersu¬ 
chung "Das Problem der saarländischen Gewerkschaften" vom 23. September 1945 
hielt die Militärregierung nur eine Einheitsgewerkschaft für sinnvoll, christliche Ge¬ 
werkschaften sollten nicht zugelassen werden, insbesondere wegen ihres Engagements 
in der Deutschen Front 1933-35 zur Rückgliederung des Saarlandes an NS-Deutsch- 
land. In dieser Haltung scheint die Militärregierung möglicherweise durch saarlän¬ 
dische Kommunisten, nachweisbar aber durch alte sozialdemokratische Gewerk¬ 
schaftler wie den ehemaligen BAV-Sekretär Peter Zimmer beeinflußt worden zu sein25, 
der auch dem informellen Netz Wilhelm Leuschners angehört hatte.26 
Zimmer trieb die Zulassung der Einheitsgewerkschaft durch die Militärregierung 
voran, indem er auf die Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft hinwies und suggerierte, 
die Zulassung von Gewerkschaften werde als vertrauensbildende Maßnahme der 
Besatzungsmacht aufgenommen werden. Die Überzeugung, eine Einheitsgewerkschaft 
sei das Gebot der Stunde, stieß bei den Verantwortlichen der Militärregierung nicht 
zuletzt deshalb auf fruchtbaren Boden, weil sie vor allem alte Nazis auch in Gewerk¬ 
schaftskreisen fürchtete. Die Einheitsgewerkschaft bot die Gewähr, daß ein starkes 
Gewicht der Linken aus Sozialdemokratie und Kommunisten ehemalige christliche 
Gewerkschaftler mit dunkler Vergangenheit in Schranken halten könnte. Durch die 
22 Herlind Gundelach, Die Sozialausschüsse zwischen CDU und DGB, Diss. Bonn 1983, S.76, 91. 
23 S c h m i 11, Der Industrie-Verband Bergbau, S.215. 
^Hudemann, Sozialstruktur und Sozialpolitik, S.389. 
25 Ministère des Affaires Etrangères Nantes (MAE Nantes), HC Sarre (HCS), Cab. Pol., Doss.61, Bl.6-8, 
DAA/Cab. 'Le problème des syndicats sarrois' vom 23.9.45. Der französische Autor bezieht sich mehrfach 
auf ein Schreiben von Peter Zimmer. Der Autor der Untersuchung kann nicht genannt werden, zumindest 
dürfte es sich um einen Mitarbeiter der französischen Militärregierung an der Saar handeln. 
26 M a 11 m a n n und Steffens, Lohn der Mühen, S.238. 
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