bundszeit ankniipft.2 Diese nationalen Denkmuster steigerten sich im Abstimmungs¬
kampf anläßlich des Referendums am 23. Oktober 1955 zum Gegensatzpaar "Va¬
terlandstreue" versus "Vaterlandsverrat’', und die Lösung der Saarfrage wurde mit der
Niederlage oder dem Sieg der deutschen Nation verknüpft.3
Von diesem Standpunkt aus war eine Identifikation mit einer autonomen Saar undenk¬
bar und die Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik von entscheidendem
Interesse. Die Wirtschaftsunion mit Frankreich und die Abtrennung vom Bundesgebiet
wurde mit Fremdherrschaft gleichgesetzt. Die Dominanz nationaler Identifikations¬
muster wirkte sich auch auf die gesellschaftliche Rolle der Gewerkschaften aus. Teile
der Gewerkschaften verstanden sich nicht mehr primär als Interessenvertretung der
Arbeitnehmer, sondern fanden ihre Rolle als Kritiker am Wirtschaftspartner. Der Tag
der Arbeit wurde nationalisiert, Maifeiern wurden zum Anlaß genommen, die nationale
Verbundenheit mit der Bundesrepublik Deutschland durch das Hissen von
Schwarz-Rot-Gold zu demonstrieren. In den Mittelpunkt gewerkschaftlicher Arbeit trat
damit auch die Agitation gegen den französischen Wirtschaftspartner und die Régie.
Im Rahmen dieser Entwicklung wurde der I. V. Bergbau, wie Klaus-Michael Mallmann
formuliert, zum Focus der nationalen Opposition, sichtbar in der Wahl von Paul Kutsch
zum Präsidenten der Einheitsgewerkschaft am 29. / 30. März 1952 und zum Ersten
Vorsitzenden des I.V. Bergbau am 13. /14. Juni 1952. Seine Wahl war von Kommu¬
nisten in der Gewerkschaft unterstützt worden, denn sie waren bestrebt, ihre partei¬
politisch oppositionelle, an der Rückgliederung an Deutschland orientierte Linie auf
den I.V. Bergbau zu übertragen. Der Ausschluß von Paul Kutsch und Aloys Schmitt
und ihren Getreuen am 20. November 1952 durch den Schiedsausschuß des I.V.
Bergbau, der ihnen Verletzung der politischen Neutralität vorwarf, wurde durch eine
Entscheidung des Landgerichtes Saarbrücken einige Wochen später wieder aufge¬
hoben. Die Aktion gegen Kutsch wie auch das Verbot des I.V. Bergbau im Februar
1953 wirkten eher radikalisierend. Die Kommunisten nutzten sie zur gezielten Agita¬
tion gegen die Regierung Hoffmann.4
2 Siehe dazu: Ludwig Linsmayer, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932. Symbolische Politik,
verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992,
S 218.
Heinrich Küppers, Staatsaufbau zwischen Bruch und Tradition. Geschichte des Landes Rheinland-
Pfalz 1946-1955, Mainz 1990, S.253, 265, 275.
4
Klaus-Michael Mallmann und Horst Steffens, Lohn der Mühen, Geschichte der Bergarbeiter an
der Saar, München 1989, S.255-267.
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