in Richtung Leistungslohn, wobei in diesem Punkt Kontinuitätslinien zu Weimar
festzustellen sind.16
Auch wenn die nationalsozialistische Familienpolitik von rassisch-selektiven Motiven
determiniert und die Familie staatspolitisch instrumentalisiert wurde, so setzte die
Sozialpolitik des "Dritten Reiches" erstmals in stärkerem Maße als bisher Akzente für
einen Familienlastenausgleich, der Ehestandsdarlehen, steuerliche Kinderermäßigun¬
gen und laufende Kinderbeihilfen umfaßte und vor allem mittelständische Bevölke¬
rungsteile und kinderreiche Familien förderte.17
Dieser Einschnitt erklärt, daß sich im Nachkriegsdeutschland eine positive sozial¬
politische Tradition im Bereich der Familienpolitik mit einem Konsens über Partei- und
Gewerkschaftsgrenzen hinweg nicht bilden konnte. Im Gegenteil, der Schatten der
nationalsozialistischen Politik erschwerte die Diskussion über einen Familienlastenaus¬
gleich. Wer Kindergeld oder Familienlohn forderte und auf die für die Sozialversiche¬
rung ungünstige Bevölkerungsentwicklung hinwies, riskierte, sich politisch zu dis¬
kreditieren.18
1.2 Familienzulagen im Saarland als Ergebnis einer Teilassimilation
Die Einführung der Familienzulagen im Saarland und die Wirtschaftsunion mit Frank¬
reich fallen zusammen. Durch Verordnungen des französischen Gouverneurs für das
Saarland wurden im November 1947 Familienzulagen eingeführt. Mit der Organisation
wurde zunächst eine besondere, in die LVA integrierte Abteilung beauftragt. Vom
Einführungstage der französischen Währung, dem 20. November 1947, an, mußte von
den Arbeitgebern ein Beitrag von 13 Prozent der Gehalts- und Lohnsumme bis zum
Plafond19 von 17.000 FRS geleistet werden.20
Mit der Einführung von Familienzulagen im Saarland verfolgte die französische
Militärregierung keine bevölkerungspolitischen Ziele, vielmehr entsprach sie einer
Annäherung an das französische Lohnsystem.21
Matthias Frese, Sozial- und Arbeitspolitik im 'Dritten Reich'. Ein Literaturbericht, in: Neue Politische
Literatur (NPL) XXXVIII/1993, S.412. Sachse, Betriebliche Sozialpolitik, S.250. Tilla Siegel,
Leistung und Lohn in der nationalsozialistischen 'Ordnung der Arbeit', Opladen 1989, S.270.
17 r
S a c h ß e und Tennstedt, Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, S. 177-180.
Martin, Zur Frage, S.18. Oswald von Nell-Breuning, Der Beitrag des Sozialkatholizismus zur
Sozialpolitik der Nachkriegszeit, in: Albrecht Langner (Hrsg.), Katholizismus, Wirtschaftsordnung und
Sozialpolitik 1945-1963, Paderborn u.a.O. 1980, S.120.
19
Der Plafond war eine Beitragsbemessungsgrenze. Er galt sowohl in der Sozialversicherung als auch für
die Berechnung der Beiträge für die Familienzulagenkasse.
20 Verordnung Nr.29 vom 10.11.47, in: Abi. 1947, S.565. Verordnung Nr.47/140 vom 23.11.47, in:
Abi.1947, S.920.
21 Statistisches Amt des Saarlandes (Hrsg.), Kurzbericht Nr. V/5 vom 15.4.48. Der Zusammenhang mit dem
französischen Lohnsystem findet sich in den Akten häufiger, z.B: Landesarchiv Saarbrücken (LA SB),
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung (MifAS), Bd.324, Regierungsdirektor Metz, Abt. B 3055/57
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