Antwortschreiben der Pariser Juristen63 griff auf alte Rechtsgrundsätze zurück. Die
Gutachter erklärten eingangs, bisher sei es immer üblich gewesen, daß der Abt mit
Stimmenmehrheit gewählt wurde. Es erfolgte keine Ernennung durch den Herzog
von Lothringen, der ohnehin kein Anrecht hierauf besitze. 1694 habe aber der
französische König (Ludwig XIV.) angeordnet, drei Personen auszuwählen, wobei
jedem Stimmberechtigten drei Stimmen zustanden - ein Verfahren, das zuvor in
Lothringen noch nie praktiziert wurde64. Gewählt wurden mit jeweils drei Stimmen
Dom de Bretagne, Dom Dupré und Dom Kleine, so daß einen von ihnen die
Berufung treffen sollte. Neben diesen drei hatte Noël Lefebvre zwei Stimmen
erhalten, aber danach fälschlich behauptet, der Konvent habe sich einstimmig für
ihn entschieden; außerdem, so betonte er, stehe das Recht der Ernennung dem Kö¬
nig von Frankreich zu. Die Untersuchung kam nun zu dem Ergebnis, die Wahl sei
nicht kanonisch erfolgt bzw. sei Noël Lefebvre überhaupt nicht gewählt, da er über
keine Mehrheit verfüge. Die Gutachter an der Sorbonne griffen sodann weiter zu¬
rück und berichteten, Jean de Bretagne sei als Abt dessen Neffe Charles de Bre¬
tagne, diesem wiederum Nicolas de la Barrière gefolgt65. Dessen Übernahme des
Abbatiats, die unter einstimmiger Akzeptanz der Mönche erfolgte, wurde annul¬
liert, weil er aus Lothringen stammte und lothringische Pfründen nicht durch Ein¬
heimische besetzt werden durften. Ohne kanonische Wahl wurde der protegierte
Jean Vireau kurzerhand zum Abt von Weiler-Bettnach ernannt. Dagegen interve¬
nierten Nicolas de la Barrière und Charles de Bretagne, der zugunsten von Nicolas
auf seine Pfründe verzichtet hatte, zunächst jedoch ohne Erfolg. Die nächsten Jahre
scheinen von großer Unruhe innerhalb des Konvents geprägt gewesen zu sein, was
Jean Vireau schließlich zum Amtsverzicht und Verlassen der Abtei bewog.
Daraufhin setzte sich Noël Lefebvre gewissermaßen selbst als Abt ein. Nach
langwierigen weiteren Verhandlungen am herzoglichen Gerichtshof und der ku-
rialen Bestätigung von Nicolas als Abt bemühte sich Noël Lefebvre um einen
Kompromiß: Gegen eine jährliche Pension von 1000 Livres und Rückerstattung
von 6000 Livres für die Prozeßkosten sollte Nicolas de la Barrière auf seinen An¬
spruch verzichten, worauf dieser allerdings nicht einging. Die Anfrage, ob Lefebvre
im Amt bleiben dürfe oder demissionieren müsse, entschied der "Conseil de
conscience" an der Sorbonne letzten Endes eindeutig: Trotz seiner Protektion sei
Noël Lefebvre im Unrecht gegenüber Nicolas de la Barrière und nicht kanonisch
gewählt; ferner sei es ein Vergehen, sich Pfründen auf gewaltsamem Wege
anzueignen. Deshalb habe er unverzüglich sein Amt niederzulegen. Ein Blick in die
Abtslisten zeigt, daß entgegen allen Anfechtungen Noël Lefebvre bis zum Jahre
1737 im Amt blieb und in dieser Zeit, in die auch der Neubau der Klosterkirche
63 ADMM 3 F 497 Nr. 83 [1700 VIII 19].
64 En 1694, le Roy ordonna qu'on y éliroit trois personnes, & que chaque Religieux donneroit trois
suffrages, ce qui ne s'estoit iamais pratiqué en Lorraine, n' ayant qu'une seule personne élue à la
pluralité des voix suivant les Concils & maximes Canoniques.
65 Dererste Amtswechsel geschah 1669/70, derzweite 1683.
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