Es ist nun interessant zu sehen, daß der Begriff des Elsaß bzw. der Elsässer zunächst auf das
heutige Nordelsaß im Bereich von Straßburg, dem einstigen Vorort der Provinz Germania
superior, und der Zaberner Senke angewandt erscheint, die im Norden - analog zur Burgun-
dischen Pforte im Süden - die Verkehrsverbindung durch die sperrigen Vogesen nach
Westen ermöglicht. Hier befanden sich auch die seit ca. 600 bezeugten merowingischen
Königspfalzen Marlenheim und Selz.9 Aus der Fredegar-Chronik ist zu entnehmen, daß das
Elsaß damals Zankapfel zwischen den beiden Königen Theuderich II. und Theudebert II.
war:10 Zusammen mit dem moselländischen Saintois südlich von Toul, der daran westlich
anschließenden Champagne und dem Thurgau war das Elsaß, bis dahin zu Austrien
gehörig, dem frankoburgundischen Reichsteil Theuderichs zugeteilt, der in Chalon-sur-
Saône residierte. Das Elsaß spielte damals in der merowingischen Politik offensichtlich eine
gewichtige Rolle, denn Theuderich war hier, vielleicht in der Pfalz Marlenheim, aufgewach¬
sen (ubi fuerat enutritus); die Präsenz des jungen Merowingers trug gewiß zur Integration
des Landes in das regnum Francorum bei. Es ist beachtenswert, daß bei der ersten Erwäh¬
nung des Elsaß sogleich vom Wechsel seiner Zugehörigkeit die Rede ist, von seiner Verwü¬
stung rito barbaro durch den austrasischen König Theudebert, dem im Vertrag von Selz 610
die strittigen Gebiete, also auch das Elsaß, wieder zufielen.11 Wechselnde Zugehörigkeit
und Verwüstungen - dieses Schicksal eines Grenzlandes sollte auch in Zukunft das Elsaß
noch oft ereilen !
In aller Kürze sind die wichtigen Aspekte der elsässischen Geschichte im 7. und frühen 8.
Jahrhundert zu streifen,12 zum einen die zahlreichen, von Trier und Metz betriebenen Klo¬
stergründungen dieser Zeit an der nicht mehr zum Elsaß gehörenden Westabdachung der
Vogesen (Remiremont, St. Dié, Etival, Senones und Moyenmoutier), denen mit Haslach im
Breuschtal, mit dem gleichfalls von Metz initiierten Maursmünster und mit Münster im Gre¬
goriental einige Klostergründungen an der Ostseite der Vogesen entsprachen.13 Ganz offen¬
sichtlich war die Moselstraße von Gondreville nach Remiremont eine wichtige Verkehrs¬
achse, und die Klöster dienten nicht zuletzt zu deren Sicherung. Zum anderen verdienen
die duces kurz Erwähnung, die im Elsaß begegnen: Gundoin, der Gründer von
Münstergranfelden im Sornegau, im zweiten Drittel des 7. Jahrhunderts, dann Bonifatius um
die Mitte des Jahrhunderts und schließlich Adalricus/Eticho, der „Stammvater" der Eticho-
nen, die als Gründer zahlreicher Klöster im Elsaß ab 700 (Hohenburg, Ebersheimmünster,
Honau, Murbach) in Erscheinung traten.14
Wollte man die politisch-geographische Position des Elsaß in dem angesprochenen Zeit¬
raum bestimmen, so scheinen die Verbindungen eher über den Rhein hinüberzureichen als
9 Vgl. E. Ewig, Descriptio Franciae, in: Ewig, Gallien (wie Anm. 4) S. 274-322, hier S. 292 und jüngst
B. Metz, Un exemple régional: l'Alsace, in: Palais médiévaux (France-Bélgique). Sous la direction
d'A. Renoux. 1994 S. 13 f.
10 Zum folgenden vgl. Nachweis in Anm. 7.
11 Vgl. E. Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich. 1988 S. 50 f.
12 Zum folgenden vgl. Büttner, Elsaß (wie Anm. 1 ) S. 51 ff.
13 Vgl. im einzelnen M. Barth, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter. 1960.
14 Vgl. Büttner, Elsaß (wie Anm. 1) S. 70 ff., H. Keller, Fränkische Herrschaft und alemannisches
Herzogtum, in: ZGORh 124. 1976 S. 1-30, M. Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß
von Dagobert I. bis Otto dem Großen, in: ZGORh 131.1983 S. 3-54 und Th. Zotz, Etichonen, in: Le¬
xikon des Mittelalters 4. 1989 Sp. 57.
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