- ein Glaube - ein Reich und entsprechend nur ein Reichsoberhaupt hatte gesiegt. Noch in
Aachen wurden Lothar (I.) zum Mitkaiser erhoben und seine Brüder Ludwig (der Deutsche)
als Unterkönig für Bayern und Pippin für Aquitanien benannt.
Schon aus dem Text der Ordinatio Imperii geht hervor, daß die politischen Widerstände
groß waren. Offen brachen sie aus, als Ludwig dem Frommen aus zweiter Ehe mit der
Welfin Judith ein Sohn Karl (der Kahle) geboren wurde, für den die ehrgeizige Mutter Herr¬
schaftsanteile verlangte. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen, die in der Begegnung von
Vater und Söhnen 833 auf dem „Lügenfeld" bei Colmar kulminierten und zum offenen
Bruderkrieg nach Ludwigs des Frommen Tod 840 führten, kam es schließlich zu einer Reihe
von Vorverträgen und im August 843 zum Reichsteilungsvertrag von Verdun. Unter
Ausschaltung des Eintrittsrechts ihres Neffen Pippin II. erhielten Ludwigs des Frommen
Söhne Teile des väterlichen Erbes: Lothar I. das Mittelreich mit den Zentren Aachen und
Rom; Ludwig d. D. das Ostreich und Karl d. K. das Westreich. Mit dem berühmten Vertrag
von Verdun war die Reihe fränkischer Teilungsverträge längst nicht beendet, doch haben
sich seine Auswirkungen nicht nur aus der Retrospektive als letztlich dauerhaft erwiesen.
Diese Tatsache rechtfertigt einen Blick auf die drei Teilreiche.
Voraussetzung des Teilungsvertrages von Verdun war ein Friedensvertrag.23 Beide Verträge
wurden von den politischen Führungsschichten, den Großen, erzwungen, beide Verträge
auch von ihnen und den Königen beeidet. Diese Mitbestimmung des Adels ist kein ganz
neues Element, aber doch ein ungemein signifikantes, gegenüber früherer Mitwirkung
enorm gesteigert. Rechtsgrundlage für die Teilung war die Brüdergemeine, also das natura¬
liter zwischen den Königsbrüdern bestehende Rechtsverhältnis. Es wurde aber durch die
wechselseitigen Eide der Brüder wie ihrer Großen gesteigert zu einem Vertragsgefüge
zwischenstaatlicher Art, einer amicitia oder Schwurfreundschaft. Aus der Perspektive des
Teilungsprinzips ist dies bemerkenswert, weil der Teilungsvorgang öffentlicher oder objek¬
tiver, für die beteiligten Könige und ihre Herrschaftsverbände verpflichtender und dauer¬
hafter gestaltet ist. Ebenso bedeutsam ist die eidliche Festlegung der Könige zu einer
gegenseitigen Besitzgarantie ihrer Reiche für sich selbst und ihre Söhne. Überliefert ist diese
Nachricht aus einem viel späteren Schreiben von Papst Johannes VIII.24 Es besagt
mindestens, daß in Verdun 843 das Eintrittsrecht der Brudersöhne oder Neffen für künftige
Regelungen garantiert wurde und daß dem Papsttum offenbar diese Garantieerklärung
mitgeteilt, vielleicht sogar urkundlich hinterlegt wurde.
Der Vertragstext von 843 ist bekanntlich verloren, die sonstige Überlieferung recht trüm-
merhaft. Trotzdem wird deutlich, daß die Großen des fränkischen Gesamtreiches auch den
Teilungsplan, nach dem geteilt wurde, „gefunden", d.h. ausgearbeitet hatten. Welche Vor¬
gaben beachtete dieses Konzept? Die Beantwortung dieser Frage hat die Entwicklungsstufen
der in Verdun fixierten Teilreiche miteinzubeziehen.
23 Bequeme Zusammenstellung der Quellen zum Vertrag von Verdun bei Peter Classen (Hg.), Politische
Verträge des frühen Mittelalters (Histor. Texte Mittelalter 3) 1966, S. 22-26. Zur Interpretation vgl.
Schneider, Brüdergemeine (wie Anm.12) S. 141 ff.
24 Brief an die ostfränkischen Könige Ludwig III. und Karl III. 874/75 (MGH Epp 7 Nr. 41, S. 297); in P.
Classens Sammlung (wie Anm.23) S. 25f.
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