ihre Vorstellungen bei den Franken durchsetzen konnte wie Theoderichs des Großen Nichte
Amalaberga bei den Thüringern. Sie drängte ihren Gemahl Herminefred, auch seinen
zweiten Bruder zu töten, um die Alleinherrschaft zu erlangen.19 Doch hier wie dort ergaben
sich besonders fatale Folgen. Das Burgunderreich ging unter, ebenso das Thüringische
Großreich. Beide Beispiele weisen indes auf recht offene Erbrechtsvorstellungen; sie zeigen
auch, daß über Königinnen z.T. wesentlicher Einfluß erfolgen konnte, der auf andere gentile
Gewohnheiten zurückgriff.
Eine Art Sonderfall von Reichsteilungen stellt die Einrichtung von sog. Unterkönigreichen
dar.20 Als zeitlich erstes ist das von König Chram anzusprechen, das dieser 555 von
Clermont aus bildete, als er sich gegen seinen Vater Chlothar I. empörte. Auch Theudeberts II.
Reich, das er um 589 im Raum von Soissons erhielt, war ein Unterkönigreich, das sein
Vater ChiIdebert errichtet hatte, um territorialen Selbständigkeitstendenzen Rechnung zu
tragen. Ähnlich verhielt es sich mit Dagoberts Reich von 623, das sich jedoch schon bald
(ab 626/27) zu einem selbständigen Reich mauserte. Solche „Unterkönigtümer" richteten
später auch die Karolinger ein. Sie boten vor allem fränkischen Alleinherrschern die poli¬
tische Chance, das mitunter als übergroß empfundene Frankenreich zu gliedern und durch
solche Teilungen auch vielfältige Spannungen, vor allem solche ethnischer Art oder
regionale Sonderinteressen, auszugleichen. Damit können sie ihrerseits als Elemente des
Gesamtzusammenhanges gelten, übten also eine dem Teilungsprinzip vergleichbare Funk¬
tion aus.
Schon vor dem berühmten Staatsstreich von 751, mit dem der Karolinger Pippin die Mero¬
wingerdynastie ablöste, hatten die karolingischen FHausmeier das fränkische Teilungsprinzip
genutzt. Nach Karl Martells Tod 741 teilten sich seine Söhne Karlmann und Pippin das
Reich, nach König Pippins Tod 768 übernahmen dessen Söhne Karl und Karlmann selb¬
ständige Teilreiche. Aber beide Male verdrängte ein Bruder den anderen, und ohne daß
die Einzelheiten sehr durchsichtig sind, läßt sich eine starke Tendenz zur Alleinherrschaft
erkennen. Um so überraschender ist dann die Vorsicht Karls des Großen, der bei seinem
berühmten (allerdings nie wirkungsmächtig gewordenen) Reichsteilungsgesetz von 806, der
Divisio regnorum, eine Teilung des Franken reiches unter seine drei Söhne vorsah.21 Das im
Jahre 800 errungene Kaisertum spielte bekanntlich keine ausschlaggebende Rolle zugunsten
eines einzigen Sohnes. Als dann Karls einziger ihn überlebender Sohn Ludwig der Fromme
dem Vater 814 als Kaiser und fränkischer Alleinherrscher nachfolgte, ergaben sich entschei¬
dende Veränderungen. Auf dem Aachener Reichstag von 817 wurde mit der Ordinatio
Imperii für Ludwigs Ablebensfal! eine Erbfolgeordnung fixiert, nach welcher der älteste Sohn
Kaisertum und fränkisches Kernreich nebst Oberherrschaft über die jüngeren Brüder erhal¬
ten sollte.22 Die Grundvorstellung einer vorrangig kirchlich geprägten sog. Reichsein¬
heitspartei mit der seit 813 so häufig variierten Argumentationskette: ein Gott - eine Kirche
19 Gregor III., 4 S. 99f.
20 Hier und im folgenden Schneider (wie Anm.9) S. 253f. und passim. Die Ergebnisse von Gustav
Eiten, Das Unterkönigtum im Reiche der Merowinger und Karolinger (Heidelberg 1907) sind danach
zu korrigieren.
21 MGH Capitularia 1, Nr. 45 S. 126ff.
22 MGH Capitularia 1, Nr. 136 S. 270-273.
19