faktor spielte insofern eine große Rolle, als der OAGH seine Tätigkeit mit dem
Zeitpunkt der Übernahme der Staatsgewalt im Saargebiet durch das Reich auf¬
nahm und die Garantien bzw. die Oberaufsicht des Gerichtshofes auf keinen Fall
allzu sehr "nach hinten" ausgedehnt werden sollten. Nun allerdings war zu be¬
fürchten, daß die Amtsperiode doch verlängert werden mußte, denn noch im Fe¬
bruar 1936 erhielt der OAGH 92 neue Rekurse, und am 29. Februar 1936 waren
noch 85 Sachen zu erledigen.
Angesichts des engen Zeitrahmens erließ daher Präsident Galli am 3. Februar
1936 eine Verfügung, um die Schlußmodalitäten zu regeln. Sollten bisher gemäß
Art. 15 der Verfahrensordnung des OAGH die Akten nach deren Hinterlegung
während zwei Wochen bei der Geschäftsstelle des Gerichtshofes zur Einsicht¬
nahme für den Staatsvertreter und die Parteien verbleiben, so drang Galli nun dar¬
auf, ab jetzt bei den Parteien darauf hinzuwirken, im Interesse einer rascheren Er¬
ledigung diese Hinterlegungsfrist möglichst abzukürzen. In diesem Sinne war auch
seine Aufforderung zu verstehen, zur Beschleunigung der Verfahren den Parteien
bei der Zustellung von eingehenden Schriftstücken eine Frist zur Gegenäußerung
zu stellen; bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist sollte von Art. 31 der Verfahrens¬
ordnung (die behauptete Tatsache konnte vom Gerichtshof als zugestanden ange¬
sehen werden) Gebrauch gemacht werden. Anscheinend war Präsident Galli wil¬
lens, sich seiner Pflicht unter allen Umständen fristgerecht zu entledigen, und sei
es unter dem Zeitdruck zum Nachteil der Rekurserheber. Wie mir scheint, wurde
zu diesem Zeitpunkt die Arbeit des Gerichts von ihm keineswegs im Sinne einer
höheren die Grund- und Menschenrechte berührenden Aufgabe angesehen. In der
"Bilanz" seines kurzen Abschlußbericht an den Generalsekretär des Völkerbundes
spricht er selbst nur davon, "daß es gelang, mehrere ungerechte Maßnahmen zu
verhindern, mehrere unangenehme Situationen zu ändern und den Beteiligten die
ihnen gebührende Wiedergutmachung zu verschaffen"31, - ein Rechtsstandpunkt,
der durchaus mit seiner am 5. März 1935 geäußerten Auffassung zum OAGH als
eines innerdeutschen Gerichtes übereinstimmt32.
Noch hatte allerdings die Reichsregierung einer Verlängerung der Amtsperiode
des OAGH nicht zugestimmt. Da jedoch nach Ziffer Ij des Ratsbeschlusses selbst
und demgemäß nach Art. 48 der Verfahrensordnung des OAGH die am 29. Fe¬
bruar 1936 noch schwebenden Sachen vor dem OAGH zu Ende geführt werden
mußten, erhob die Deutsche Regierung keine Einwände gegen die von Baron
Aloisi an den deutschen Botschafter in Rom gerichtete diesbezügliche Anfrage
vom 18. Februar 1936. Das deutsche Einverständnis erstreckte sich auf eine Ver¬
längerung bis höchstens zum 31. März 1936, sofern sich ein früherer Abschluß
nicht ermöglichen ließe. Es war vorausgesetzt, daß folglich neue Rekurse ab dem
1. März 1936 nicht mehr angenommen würden. Die entstehenden Kosten sollten
in erster Linie aus den Ersparnissen früherer Monate abgedeckt werden; ferner war
31 Sehr. Welschs an das AA v. 8.4.1936 mit Abschlußbericht Gallis. Ebd. Bd. 2.
32 Siehe oben VII. Kap. 3., Anm. 17.
459