Deutschen Front boykottierten; sie führte aber auch in der Folgezeit zu Spannun¬
gen zwischen alten und jüngeren Parteigenossen, so daß Bürckel im April 1935
eine entsprechende Anweisung zur Mäßigung erließ38.
Viele saarländische "alte Kämpfer" wurden entgegen ihrer Erwartung nunmehr
"kaltgestellt" oder auf ruhige Posten abgeschoben, zumindest aber von der wohl
erwarteten direkten Mitgestaltung der Saarverhältnisse ausgeschlossen. Der ehe¬
malige Gauleiter der NSDAP-Saar, Karl Brück, war seit 1. Oktober 1933 bei der
Reichsgeschäftsstelle der NSDAP in München eingesetzt, wurde dann Reichstags¬
abgeordneter für den Wahlkreis Koblenz-Trier, Organisationsleiter der Deutschen
Front und Vorsitzender des "Gesamtverbandes deutscher Arbeitnehmer" und ab
1935 Direktor der Sozialabteilung der Saargrubenverwaltung. A. Spaniol war ab 1.
April 1935 Bürgermeister in Andernach. Paul Lonsdorfer, saarländischer SS-
Obersturmführer und Chef des Ordnungsdienstes der DAF, arbeitete bei der Saar¬
grubenverwaltung, wo er den Aufbau des Werkschutzes und der betrieblichen
Überwachung übernahm. Der ehemalige Landesleiter der Deutschen Front, Jakob
Pirro, erhielt am 20. Februar 1935 bereits eine Verwaltungsinspektorstelle bei der
Bayerischen Regierung in München. Dr. Heinrich Schneider hatte nach Spaniols
Entmachtung im Frühjahr 1934 seine Saarreferenten-Tätigkeit im Preußischen In¬
nenministerium und die Leitung der Saarabteilung bei der Reichsleitung der
NSDAP aufgrund von Bürckels Einwirken aufgeben müssen und im Oktober 1934
eine Anwaltspraxis in Saarbrücken eröffnet. Er vertrat nach 1935 Gegner Bürckels
sowie von ihm Geschädigte vor Gericht, dürfte aber kaum als ernstlicher Wider¬
ständler gegolten haben, wie er das nach dem Kriege darzulegen versuchte. Der
frühere Gaugeschäftsführer, Wilhelm Weiter, wurde im März 1936 von seiner
Kreisleiterstelle in Saarbrücken-Land (1. Februar 1933 - 10. März 1936) entbun¬
den und als Gaupersonalverwalter der DAF im Gau Saarpfalz kaltgestellt. Der
NSDAP-Landesratsabgeordnete Peter Baltes, noch 1932 für die NSDAP in den
saarländischen Landesrat gewählt, saß auf einer Beamtenstelle in Berlin, und der
Gauinspekteur und NSDAP-Ortsgruppenchef von Überherm, Edmund Speicher,
übte inzwischen als Amtsbürgermeister von Blittersdorf eine Verwaltungstätigkeit
aus. Willi Dansauer, frühes Mitglied der DNVP (Werwolf), hauptberuflicher Mit¬
arbeiter in der Landesleitung der NSDAP, Spaniols besonderer Vertrauensmann
sowie Inspekteur des Oberabschnittes West der SS, wurde im Oktober 1935 Ge¬
schäftsführer der saarländischen Verbrauchergenossenschaften und im August
1936 Angestellter bei der Saarbrücker Stadtbücherei. Der erste offizielle Gauleiter
der NSDAP-Saar, Jakob Jung, inzwischen in Vergessenheit geraten, wurde 1935
Amtsbürgermeister von Gersweiler39.
Eine "Parteikarriere" schien der aus Heiligenwald stammende Emst Dürrfeld ge¬
macht zu haben, der bereits sehr früh Mitglied der NSDAP an der Saar bzw. der
38
NSZ-Rheinfront Nr. 87 v. 12.4.1935. Nach Aussagen von alten Parteigenossen (eigene Befragung)
scheinen die damaligen Spannungen sich als Riß auch Jahre später durch die gesamte Saar-NSDAP
gezogen zu haben.
39 Vgl. G. Paul, Die NSDAP des Saargebietes, S. 77f., S. 179-191.
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