deutsche Konfrontation nicht paßte und der sich der Rat des Völkerbundes vor der
Saarabstimmung größtenteils anschloß. In der Hoffnung auf Verständnis sprach
das Reichsaußenministerium dem britischen Botschafter in Berlin seine Empörung
darüber aus, daß "Separatisten" und "Emigranten" den Völkerbund zur "interes¬
sierten Partei" hochspielten, so daß er seinen Platz zugunsten einer "wirklich neu¬
tralen Instanz" räumen müsse25. In Frankreich führten die gegensätzlichen Auf¬
fassungen über die Politik Hitlers einerseits am 27. Juli 1934 zum Zusammen¬
schluß der Sozialisten und Kommunisten zum "Aktionspakt gegen den Faschis¬
mus", andererseits verstärkte sich auf Regierungsseite die Resignation vor dem
Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschland, dem man auch infolge der Fi¬
nanzkrise keine rüstungsintensive Offensivpolitik mehr entgegensetzte26.
Im Laufe des Jahres 1934 zeigte sich gerade beim sowjetischen Ostpakt-Projekt,
daß nicht nur die nationalsozialistische deutsche Führung dagegen opponierte,
sondern auch Großbritannien, das ebenso auf Kosten Frankreichs in den Fragen
der Aufrüstung mit Deutschland zu einer Verständigung zu gelangen suchte. Wohl
mit Recht ging Großbritannien davon aus, daß ein großer Krieg in Europa oder
sogar auf Weltebene dem britischen Weltreich mehr Schaden als Nutzen bringe.
Ebenso glaubte die britische Regierung, in Hitler 1933 noch nicht eine Kriegsge¬
fahr sehen zu müssen und seine Taten und Pläne der zurückliegenden Jahre gering
schätzen zu können, vor allem wenn man dies nun unter dem Gesichtspunkt der
Regierungsverantwortung der Nationalsozialisten betrachtete. Eine starke Mäßi¬
gung durch oppositionelle Kräfte würde sowieso den Zusammenbruch des Hit¬
lerismus' bedeuten; und letztlich seien die "jungen Nazis in Deutschland" "Europas
Wächter gegen die kommunistische Gefahr"27. Kritische Stimmen (General Tem-
perley, Robert Vansittart, Austin Chamberlain, Winston Churchill, Clement Att-
lee) drangen vorerst noch nicht durch. Im Gegenteil, sowohl in England als auch
in Deutschland glaubten weite Kreise an eine Verständigung beider Länder, die
später in einer allgemeinen Rüstungsvereinbarung ihren Niederschlag finden kön¬
25 DBFP, Ser. II. Bd. XII, No 148, S. 166. Vgl. I. Plettenberg, Der Völkerbund, S. 53-62.
26 Auch später im Kabinett Daladier (12.4.1938 - März 1940) sind mit Ausnahme der Kommunisten, die
eine offensive Bündnispolitik unter Einschluß der Sowjetunion fordern, alle Parteien in der Frage der
Haltung gegenüber der NS-Expansionspolitik gespalten. Die Rechte neigt zur Beschwichtigungspolitik
gegenüber Hitler, die Sozialisten, die zunächst dem Münchner Abkommen (29.9.1938) zustimmen, er¬
heben dann die Forderung nach Eindämmung von Hitlers Expansionspolitik mit Hilfe der Sowjetunion.
Daladier und Georges Bonnet als Außenminister entschließen sich zunächst zur Forcierung der Aufrü¬
stung und nach der Zerschlagung der "Rest-Tschechei" (März 1939) zu einer Eindämmungspolitik ohne
Bemühen um Sowjet. Engagement. Vgl. P. Krüger, Deutsche Außenpolitik.
27 Daily Mail v. 28.11.1933. Zur engl. Haltung vgl. "Deutsche Freiheit" Nr. 33 v. 28729.1.1934,
"England und die Saar". Englands Desinteresse an der Saarfrage, das Bedauern, daß ein Engländer die
Reko führe (bes. die Blätter der Presselords Rothermere und Beaverbrook), Schilderung des Naziter¬
rors: Daily Telegraph (Überzeugung, daß auch ohne Terror eine große Mehrheit für den Anschluß vo¬
tiere), Times, Manchester Guardian, Observer, Daily Herald, Momingpost, News-Chronicle (weniger
überzeugt u. trat daher mit Entschiedenheit für eine absolute Sicherung der Abstimmenden vor Bedro¬
hungen ein). Siehe auch LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.416, Bl. 380-384.
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