1935 festgelegt hatte19. Aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage und der
15jährigen Erfahrung fanden auch die Pläne der "Einheitsfront" zur Verbesserung
der Saarverwaltung, insbesondere unter Beachtung rechtsstaatlicher Verhältnisse,
kaum eine große Anhängerschaft. Somit blieb als große Hoffnung ein vorläufiges
Status quo-Modell, das mit Rücksicht auch auf patriotisch-nationale Wählerstim¬
men Erfolg versprechen konnte, wenn es gelingen sollte, die Zusage einer späteren
zweiten Abstimmung völkerrechtlich verbindlich zu erwirken, - ein Gedankenge¬
bäude, das allerdings nur unter der Voraussetzung der Kurzlebigkeit des NS-Re-
gimes stimmig war.
Das französische Aide-mémoire vom 31. August 193420, durch den Außenminister
Frankreichs, Louis Barthou21, dem Rat des Völkerbundes unterbreitet, um bei An¬
nahme des Status quo22 ein zweites Plebiszit zu erreichen, fand keine offizielle
Anerkennung trotz verschiedentlicher Vorstöße beim Rat23. Barthou, der mit dem
sowjetischen Außenminister Litwinow an der Aufnahme der Sowjetunion in den
Völkerbund arbeitete sowie gleichzeitig an der Erarbeitung eines Ostpaktes24 als
einem kollektiven Nichtangriffspakt für die Oststaaten mit französischer Garantie
(sowjetisch-französischer Beistandspakt als Kernstück, das sog. "Ost-Locarno")
schien eine ernste Gefahr für die Ziele Hitler-Deutschlands. Auf britischer Seite
fand die Initiative Barthous zu einer Änderung des Saarstatuts wenig Gegenliebe,
verfolgte das Britische Empire doch eine Politik, in deren Konzept eine britisch¬
19 SDN JO 15, 1934, S. 644-650.
2(1 SDN JO 15, 1934, S. 1185flF. (C.374.1934.VII), abgedr. in: Documents Diplomatiques Français (DDF)
1932-1939, Ire Sér. Bd. II, S. 300-304. VgL. auch die 2. Sitzung vom 8.9.1934: SDN JO 15, 1934, S.
1390f. Ebenso den sinngleichen Aufruf der Einheitsfront, in: A.Z. Nr. 147 v. 4.7.1934. Die Stellung¬
nahme des Landesleiters der Deutschen Front zur Haltung Barthou's bei J. Pirro, Das Saargebiet in der
Außenpolitik, S. 372-379.
21 Jean Louis Barthou (1862-1934), franz. Außenminister, am 9. Oktober 1934 in Marseille ermordet,
Nachfolger Pierre Laval.
22 .
Zur Argumentation der Association française de la Sarre für den Status quo vgl. die Darlegungen im
Journal de la Sarre, III v. 16.-19. JanVApr. 1934 u. III v. 20.5.1934 mit den entsprechenden Erwide¬
rungen des Schriftführers der Saar-Forschungsgemeinschaft, Dr. Santé, am 21.6. und 22.6.1934. Hess.
HStA, Abt. 1150, Nachlaß G.W. Sante, Nr. 60.
23 4. Sitzung v. 27.9.1934: SDN JO 15, 1934, S. 1.462f. Ebenso eine Erinnerung des Rates durch Barthou
am 8.9.1934. Befürworter des Status quo auf franz. Seite war z.B. auch der Publizist Wladimir d’Or-
messon (Die Situation des Saargebietes sei ähnlich der Situation Österreichs, so daß die Saar im Süd¬
westen das sein müsse, was Österreich nach franz. Auffassung im Südosten sein solle). Demgemäß
gründeten die franz. rechtsstehenden Katholiken einen eigenen Saarausschuß, dem die 3 Grafen, d'Or-
messon, d'Harcourt und de Pange angehörten. An den Aktionen der "Neue(n) Saar-Post" beteiligten sie
sich später nicht und zogen sich zurück. Gegen einen Anschluß an das Reich sprach sich auch der franz.
Generalstab aus. Vgl. NSZ-Rheinfront Nr. 51 v. 1.3.1935. Die Forderung Barthous nach einer Amne¬
stie Deutschlands an alle, die gegen die Rückgliederung eintreten, in: Abschr. der Besprechung
Bürckels (zus. mit OB Neikes, Stadtsyndikus Dr. Schumacher und Nietmann) am 4.5.1934 in Neu¬
stadt. StadtA Saarbrücken, Best. Großstadt Nr. 2.273.
24 Vgl. G. Rosenfeld, Die Sowjetunion und der Kampf um die Zukunft des Saargebietes 1934/1935, S. 48.
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