Entmilitarisierungsbestimmungen (keine Polizeiformationen mit offensichtlich
militärischem Charakter bzw. keine Erhöhung der Gesamtzahl) untersagt war und
nährte damit die Sorge der Franzosen, daß aus der jetzigen Haltung des Reiches
heraus allmählich die diesbezüglichen Bestimmungen unterlaufen würden. Die
Deutsche Regierung bestand darauf, unter keinen Umständen auf SA, SS und AD
im Saargebiet zu verzichten, besäßen diese Formationen doch keinen militärischen
Charakter, lediglich kleinere Teile der SS seien mit Handfeuerwaffen zu Wach-
und Ehrendiensten höherer Persönlichkeiten ausgerüstet, und dies seien alles in
allem unter 5.000 Mann, verteilt im Reich. Dabei erfolgte auch die Ankündigung,
entsprechende SA-, SS- und AD-Lager nach der Rückgliederung im Saargebiet
einzurichten16. Zur "Begriffsklärung" wurde gleichzeitig ausgefuhrt, die SS sei ei¬
ne rein politische Organisation, "die der Wacherhaltung und Symbolisierung der
Idee des Nationalsozialismus in der Bevölkerung diene". Der AD erfülle neben
praktischen Zwecken, wie der Ausführung von Bodenmeliorationen, der Be¬
kämpfung der Arbeitslosigkeit vor allem Aufgaben der Erziehung im Sinne natio¬
nalsozialistischen Gemeinschaftsgeistes und der Volksverbundenheit17. Zur Stärke
der AD-Formationen im Saargebiet erklärte Oberst Müller-Brandenburg von der
Reichsleitung AD, daß an eine Belegung nicht größer als im übrigen Reich, d.h.
eine bis zwei Gruppe(n), also etwa 3.000 Mann, gedacht sei18.
Aus allen Quellen ist deutlich die Verschleppung des Entmilitarisierungsproblems
sowie das Ausweichen auf schwammige Formeln herauszuhören. Bezüglich der
französischen Forderungen zu den Eisenbahnanlagen bestand Hitler selbst auf ei¬
ner Verweigerung deren Zerstörung19. Die deutsche Seite befürchtete, daß die
Entmilitarisierungsfrage eine "belastende Maßnahme" darstelle, die vor allem der
Gegenseite Gelegenheit gebe, Fragen aufzuwerfen, die von präjudizieller Bedeu¬
tung für die Entmilitarisierung der gesamten Rheinlandzone oder für die interna¬
tionalen Rüstungsverhandlungen sein könnten und letztlich, daß die gesamte An¬
gelegenheit von französischer Seite aus als Prestigegewinn betrachtet werde20. Ei¬
ne abschließende Stellungnahme zu dieser Problematik legte die Deutsche Re¬
gierung zum letztmöglichen Zeitpunkt (28. Februar 1935) vor der Übernahme des
Saargebietes dar21. In einem Notenwechsel zwischen dem deutschen Botschafter in
Paris Köster und dem französischen Außenminister Laval legten beide Regierun¬
gen das Ergebnis ihrer vorausgegangenen Verhandlungen nieder und teilten es
über Aloisi dem Ratspräsidenten des Völkerbundes mit22. Danach galt grundsätz¬
lich die Einbeziehung des Saargebietes in die in den Artikeln 42 und 43 des Ver¬
sailler Vertrages ins Auge gefaßte Zone. Im einzelnen führten beide Seiten aus:
16 Brief des AA v. 8.5.1935 an die deutsche Botschaft in Paris. Ebd. Bd.3.
17 Ebd. Bd.3.
18 Aktennotiz Frohweins v. 30.1.1935. Ebd. Bd. 2.
19 Aktenvermerk v, 24.1.1935. Ebd. Bd. 2.
20
Abschrift des Drahterlasses Nr. 14 am 29,1.1935 durch das AA. Ebd. Bd. 2.
21
Telegramm des AA an die deutsche Botschaft in Paris v. 28.2.1935. Ebd. Bd. 4.
22 SDN JO 16, 1935, S. 527ff.
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