Die Zurückhaltung des Vatikans bezüglich einer eindeutigen Ablehnung des na¬
tionalsozialistischen Staates und damit u.U. einer klaren Ablehnung der Rückglie¬
derung hatte die Bischöfe von Trier und Speyer letztlich geradezu gezwungen,
praktische Verfahrensregeln zu erlassen, trotz der Entscheidung des Episkopats
auf der Plenarkonferenz der deutschen Bischöfe vom 5. bis 7. Juni 1934, die die
Abgabe einer Erklärung hinsichtlich des Verhaltens der Saargeistlichkeit den bei¬
den Bischöfen freistellte. Und da die Oppositionsbewegung im Saarkatholizismus
Ende 1934 Ausmaße annahm, die gerade zu diesem Zeitpunkt den Bischöfen si¬
cherlich ungelegen kamen, so mußte aus kirchenpolitisch-taktischen Überlegungen
heraus eine stärkere Konfrontation mit der NSDAP und dem Staat vermieden wer¬
den. Demnach sind die Anweisungen im November und Dezember 1934 zu politi¬
schem Neutralitätsverhalten unter dieser Rücksichtnahme zu verstehen. Und wenn
in dem Erlaß vom 12. November noch "die sittliche Pflicht der Liebe zum ange¬
stammten Volkstum und der Treue zum Vaterland"7 unangetastet bleiben sollte, so
verzichtete der Hirtenbrief der rheinischen Bischöfe zur Saarabstimmung vom 26.
Dezember 1934, den auch Bischof Sebastian übernahm, bereits auf diese
"sittlichen Pflichten" und verlangte weit nüchterner: "Als deutsche Katholiken
sind wir verpflichtet, für die Größe, die Wohlfahrt und den Frieden unseres Vater¬
landes uns einzusetzen."8
Die Frage, inwieweit die bischöflichen Verhaltensregeln für die Saargeistlichkeit
dem Status quo geschadet bzw. der hochprozentigen Stimmabgabe für die Rück¬
gliederung Vorschub geleistet haben, muß jedoch eindeutig aus der geschichtli¬
chen Situation und nicht retrospektiv (ver)urteilend betrachtet werden. Sicher ist,
daß eine eindeutig ablehnende Haltung der Bischöfe der nationalsozialistischen
Saarpolitik geschadet hätte, ob sie die Rückgliederung hätte verhindern können, ist
zu bezweifeln; sicher ist aber auch, daß sich der Kampf gegen die Kirchen an der
Saar, aber auch in den Diözesen Speyer und Trier, insgesamt verschärft hätte und
viele kirchliche Beschränkungen früher eingesetzt hätten. Mag Bischof Bomewas-
ser von Trier noch eine weitgehend von nationalen Argumenten geprägte Haltung
eingenommen haben9, so kann man bei Bischof Sebastian sagen, daß seine Zuge¬
ständnisse ganz unter dem seit Hitlers Machtergreifung in der Pfalz verschärft ge¬
führten Kirchenkampf standen und er bei all seinen Zugeständnissen doch nicht
Bürckels Forderungen direkt nachgab bzw. im deutschen Episkopat auch zeitwei¬
lig eine Sonderrolle einnahm. Er war es denn auch, der 1936 innerhalb der bayeri¬
schen Episkopats auf eine verschärfte Gangart gegenüber dem NS-Regime dräng¬
schüre, "Katholiken und Status quo", hrsgg. von A Mannbar, Landsweiler, der Saar-Nahe-Druck AG,
deren Herausgabe im "Einvernehmen mit der Abstimmungskommission vom Direktor des Innern, H.
Heimburger, gestattet worden war. StadtA Neunkirchen, Abt. II Wie, Nr. 14, Bl. 434-651. Das gleiche
galt für die Verteilung und Veröffentlichung anderer Status quo-Publikationen. Ebd. Bl. 656, 658, 660,
664.
7
A Heintz (Hg.), Erzbischof Bomewasser, S. 44.
8 Der christl. Pilger Nr. 1 v. 6.1.1935, S. 1.
9 Vgl. A Heintz (Hg.), Fels im Sturm; das "Beschwören" von Volk, Vaterland und Kirche ist nicht zu
überhören. Vgl. bes. das Vorwort, S. XIII-XVI.
134