Die frühzeitige Bildung der vom Reich aus gesteuerten Aktionsgemeinschaft der
bürgerlichen Parteien und der NSDAP, die "Deutsche Front", war trotz ihrer er¬
kennbaren Strukturschwächen ihrem Gegner, der Einheitsfront, doch weit überle¬
gen. Hierzu zählt nicht nur der zeitliche Vorsprung ihrer Entstehung im Vergleich
zur antifaschistischen Einheitsfront; weit wirksamer war die allmähliche Ausrich¬
tung der bürgerlichen Parteien in der Ersten, Zweiten und Dritten Deutschen Front
auf die Ziele der NSDAP, ohne daß deren Führung nach außen hin allzu deutlich
erkennbar wurde, und vor allem die straffere Organisation40, die weit bessere Fi¬
nanzlage41 sowie die brutalen Kampfmethoden beim Vorgehen gegen Anders¬
denkende42. Es grenzt geradezu an Tragik, daß sich Persönlichkeiten aus Staat
und Kirche, denen eine direkte Sympathie mit den Zielen der NSDAP nicht zu un¬
terstellen war, sich nicht nur in dieses Fahrwasser zwingen ließen, sondern oftmals
noch aktive Schützenhilfe leisteten43.
Gestärkt wurde die Agitation der Deutschen Front zusätzlich durch das
"Treuebekenntnis" der Bischöfe von Trier und Speyer zum "Oberhaupt des Deut¬
schen Reiches" und zwar von saarländischem Territorium aus "im Namen von
55.000 jungen Katholiken". Die Abstimmungskommission legte gegen die Aktion
der Bischöfe44 zwar Protest ein, doch von seiten des Völkerbundes folgten keine
Taten. In Genf herrschte hierzu nicht einmal eine gemeinsame Auffassung, und im
Londoner Foreign Office hielt man den Protest für einen "foolish move", denn
Kritik an der "freien Meinungsäußerung von 55.000 jungen Katholiken" bedeute
Wahlkampfbehinderung45. In der Presse denunzierte die Deutsche Front das anti¬
faschistische Lager und pries gleichzeitig ihre eigenen "Verdienste": "In einer
wuchtigen Versammlungswelle mußte die Deutsche Front gestern in allen Teilen
des Saargebietes zu unerhörten Terrorfällen ob der planmäßigen Mordhetze der
Status quo- und Emigrantenkreise Stellung nehmen. Es war dies die Auswirkung
einer von uns längst klar erkannten und der Regierungskommission mehrfach in
aller Form nachgewiesenen und offiziell mitgeteilten Ursache."46 Desgleichen
stellte die Deutsche Front ihre "Verteidigerfunktion" heraus, wenn sie behauptete,
die Führer der Deutschen Front seien von den Volksgenossen bestellt, die Interes¬
sen der "deutschen Eidgenossen an der Saar" gegenüber der Reko und deren Auf¬
traggeber, dem Völkerbund, zu vertreten47, oder sie legte ihre "Kontrollfunktion"
40 Vgl, E. Kunkel, Die Sozialdemokratische Partei, S. 45. Erste DF: 14.7.1933; Zweite DF: Oktober
1933; Dritte DF: März 1934. NSZ-Rheinfront v. 31.1.1939 (Beilage): "Die Deutsche Front" von Karl
Mages.
41 Ebd. S. 46f.
42 Ebd. S. 47-58. Zum "Braunen Terror" s. G. Paul, "Deutsche Mutter heim zu Dir!", S. 214-232.
43 ü*
Eine Auflistung der Ortsgruppenpropagandaleiter der Deutschen Front vom 15.5.1934 enthält auffal¬
lend viele Lehrer, sie zeigt, wie durchorganisiert bis in jede Gemeinde hinein die Deutsche Front war.
Arch. dep. de la Mos., 4 AR 13.
44 C. 366. 1934. VII. Franz, SDN JO 15, 1934, S. 1.201-1.204.
45 DBFP, Ser. II, Bd. 12, Nr. 91, S. 90.
46
Die Rede des stellvertr. Führers der Deutschen Front, Heinrich Nietmann: S.Z. Nr. 3 v. 4.1.1935.
47 Ebd. Nr. 3.
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