2.
Mobilität und natürliche Bevölkerungsbewegung
Gegenüber diesen Phänomenen gestaltete sich die natürliche Einwohnerentwicklung
wesentlich gleichförmiger als das Wanderungsaufkommen. Sie bildete die stabile Kom¬
ponente in der Bevölkerungsgeschichte der drei Untersuchungsgemeinden. Wie nicht
anders zu erwarten, wuchs das Reproduktionsvolumen, d.h. die Summe der jährlichen
Geburten und Sterbefälle, entsprechend der Einwohnerzahl der Kommunen stetig an.
Allein Diedenhofen nahm dabei wieder eine Sonderstellung ein. (Tab.6) Die Reproduk¬
tionsbilanzen20 von Esch und Malstatt-Burbach im Übergang von der agrarischen zur
industriellen Bevölkerungsweise zwischen 1860 und 1909 waren durchweg positiv sowie
im Trend linear steigend, aufgrund der Korrelation mit dem Bevölkerungszuwachs sowie
eher gleichbleibenden Geburtenziffern bei relativ schnell sinkenden Sterbeziffern.21 Die
im Jahre 1866 negative Bilanz der Stadt Esch ist auf eine Cholera-Epidemie zurückzu¬
führen, der einmalige Minuswert für Malstatt-Burbach (1871) dürfte kriegsbedingt sein.
(Tab.6) Mit dem über die Jahre zunehmenden Mobilitätsaufkommen verlor die natürliche
Bevölkerungsbewegung an Gewicht im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Denn während
die Mobilitätskennziffem regelrecht anschwollen, gingen die Reproduktionskennziffem
bis zum ersten Weltkrieg ständig weiter zurück.22 Die durchschnittlichen Jahres-Repro-
duktionskennziffem in der Anfangs-, Krisen- und Endphase der Untersuchung für
Malstatt-Burbach lauten 95, 81 und 72, diejenigen für Esch 68, 66 und 55. Dies läßt
erkennen, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem prozentualen Zuwachs
20 Die Reproduktionsbüanz ist die Anzahl der Geburten abzüglich der Anzahl der Sterbefälle
innerhalb eines Kalenderjahres.
21 Vgl. Anhang D. Die Geburten- bzw. Sterbeziffern bezeichnen den prozentuellen Anteil von
Geburten bzw. Sterbefällen an der Einwohnerzahl.
Malstatt-
Burbach
Esch/Alz.
Dieden¬
hofen
GZ
StZ
GZ
StZ
GZ
StZ
1860-75
5,85
3,28
3,73
2,94
2,0
2,5
1876-89
5,53
2,90
4,49
2,30
2,2
1,8
1890-09
5,06
2,16
3,57
1,97
2,2
1,75
GZ = Geburtenziffer, StZ = Sterbeziffer.
Zum Übergangsphänomen von der agrarischen zur industriellen Bevölkerungsweise vgl. den
zusammenfassenden Abschnitt bei Bade, Bevölkerung, S.73f.
22 Die Reproduktionskennziffer errechnet sich wie die Mobüitätskennziffer, doch wird hier das
Wanderungsvolumen durch das Reproduktionsvolumen ersetzt. Sie drückt in Promille das
Verhältnis der Sterbefälle und Geburten zur Gesamteinwohnerzahl aus.
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