Unter Ökonomen wird beispielsweise das Ende der Gründerkrise ungefähr 1878/79
gesehen, mit einer anschließenden Neubelebung der Wirtschaft in den 1880er Jahren und
mit einem erneuten Einbruch nach 1890. Die Einwohnerentwicklung in den Unter¬
suchungsstädten folgte zwar in ihrem Trend der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung,
der spürbare ökonomische Aufschwung der 1880er Jahre verursachte aber offensichtlich
nur einen sehr gemäßigten Anstieg der Gesamteinwohnerzahl von Malstatt-Burbach und
blieb ohne Auswirkungen in Esch; Alz. Die Wirtschaftskrise zu Beginn der 1890er Jahre
vermochte weder an der Saar noch an der Alzette das erneut gesteigerte Bevölkerungs¬
wachstum abzubremsen. Daher erschien es im Hinblick auf eine bevölkerungs- und
migrationsgeschichtliche Analyse sinnvoll, die Industrialisierungsperiode unabhängig von
üblichen wirtschaftshistorischen Einteilungen gemäß der bevölkerungsgeschichtlichen
Eigendynamik zeitlich zu untergliedern, und zwar in die drei Untersuchungsteilzeiträume
von 1856 - d.h. vom Beginn der Industrialisierung in Malstatt-Burbach - bis ins Jahr
1875, von 1876 bis 1889 sowie von 1890 bis 1909, also bis zum Zeitpunkt der
Vereinigung Malstatt-Burbachs mit seinen beiden Nachbarstädten. Wegen des enormen
Wanderungsaufkommens gerade im dritten Teilabschnitt und weil für die Vergleichs¬
gemeinde Esch/Alz. die jüngste berücksichtigte Volkszählung aus dem Jahre 1900
stammt, wurde bei einigen Analyseschritten eine weitere Unterteilung in die Zeiträume
von 1890 bis 1900 sowie von 1901 bis 1909 vorgenommen.
Welches waren die elementaren Rahmenbedingungen für das hier skizzierte, beschleunigte
Städte- und Bevölkerungswachstum in Malstatt-Burbach, Diedenhofen und Esch/Alz.?
Grundlegend für die Industrialisierung und damit auch für die Urbanisierung der
industriearmen, überwiegend landwirtschaftlich geprägten Region Saarland-Lothringen-
Luxemburg war das Zusammentreffen mehrerer Faktoren.2 Eine technologische Voraus¬
setzung der Forcierung von Bergbau und Eisenerzeugung in der Saarregion, wo schon
lange mit vorindustriellen Methoden Steinkohle gefördert und Erze verhüttet worden sind,
bildete die Möglichkeit zur Nutzung der Steinkohle für die Eisenerzeugung im Hochofen,
welche erst die Umwandlung von Kohle in Koks erlaubte. Dadurch siedelten sich
einerseits größere Eisenwerke, wie etwa die Burbacher Hütte, "auf der Kohle” an bzw.
wurden, wie das Neunkircher Eisenwerk, wesentlich erweitert; und andererseits erhöhte
sich die Nachfrage nach Steinkohle erheblich, was die Industrialisierung der südlichen
Rheinprovinz in Gang setzte.
2 Vgl. im folgenden Hellwig, Wirtschaftsentwicklung.
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